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Bundes ausgeplündert und teilweise niederge-
brannt, das wirtschaftliche und kulturelle
Leben zum Erliegen gekommen. Trotz dieser
Umstände stand A. der Hzgin zur Seite und
unterstützte sie bei der Niederschrift ihrer
umfangreichen Korrespondenz mit den wich-
tigsten Repräsentanten der Krone Polens und
ihren Familienangehörigen, vor allem ihrem
Bruder Sigismund August II. von Polen. Sie ver-
ließ Sophie auch nach dem Tod Hzg Heinrichs
im Jahr 1568 nicht und begleitete sie auf ihren
Witwensitz Schloss Schöningen. Als Hoffräu-
lein unterstützte sie die Herzoginwitwe bei der
Neuorganisation und Vergrößerung des Schö-
ninger Hofes und sah, wie sich in den folgenden
Jahren das Schloss in ein reges Zentrum des
kulturellen, administrativen und wirtschaft-
lichen Lebens der Region verwandelte. So
erhielt sie vermutlich intensive Einblicke in die
umfangreiche Verwaltungs- und Wirtschaftstä-
tigkeit der Ämter Schöningen und Jerxheim, die
florierenden Geschäfte, den umfassenden Aus-
bau des „Kunstkabinetts“ sowie zahlreiche reli-
giöse und karitative Aktivitäten der zum Pro-
testantismus übergetretenen Herzoginwitwe.
Die wichtigste Aufgabe der kleinwüchsigen
Vertrauten war jedoch weiterhin, zusammen
mit einem Schreiber das Amt der polnischen
Sekretäre Sophies zu versehen. Sie assistierte
mit ihrer Feder den energischen Bemühungen
Sophies im Reich und in Polen um den Vollzug
des Testaments ihres im Jahr 1572 gestorbenen
Bruders Sigismund August und die Lenkung
der polnischen Königswahl zu Gunsten von
Ernst von Habsburg. A. muss am Hof in Schönin-
gen in einer durch intensive hzgl. Korrespon-
denzen und vielfältige hochrangige Besuche aus
ganz Europa geprägten, anregenden und luxu-
riösen Atmosphäre gelebt haben.
L: J. Pirozynski, Die Hzgin Sophie von Brsg-Wol aus
dem Hause der Jagellionen und ihre Bibl., 1992, S.
44f., S. 88f.
K. Rahn
Aitzema
(auch Aizema, Aissema), Foppe (auch
Foppius) van, Dr. jur.
* 1578 oder 1580 Midlum oder Dokkum
(Niederlande, Friesland) † 28.10.1637 Wien,
Jurist, Diplomat, Konvertit.
A. war der Sohn des Emder Bürgers und Pas-
tors in Dokkum, Schelte van A., und der Sjoerdje
Lieuves. Er studierte ab 1596 in Franeker (Nie-
derlande) Philologie, Jura und Philosophie, spä-
ter auch in Leiden (1597), Helmstedt (1600) und
Wittenberg (1602). Im Jahre 1603 unternahm A.
eine Bildungsreise nach England und Frank-
reich. 1607 promovierte er in Helmstedt im Fach
Jura und erhielt noch im gleichen Jahr eine
Stelle als Rat des Hzgs
Heinrich Julius zu
Brsg-Lbg-Wol. Zwei Jahre später wurde er zum
Hofgerichtsassessor befördert. 1612 wurde A.
vom Hzg gegen den Widerstand des Halberstäd-
ter Domkapitels zum Vizekanzler im Stift Hal-
berstadt und im Mai desselben Jahres zum
Stiftskanzler bestellt. Nach dem Tode des Hzgs
im Juli 1613 fiel A. bei dessen Sohn und Nach-
folger, Hzg
Friedrich Ulrich, in Ungnade und
musste mit seiner Familie und allem Hab und
Gut aus Halberstadt flüchten. Er wurde jedoch
schon drei Monate später von Regierungstrup-
pen gefangengenommen, in Wolfenbüttel inhaf-
tiert, enteignet und erst im Juli 1614 gegen eine
Kaution seines Bruders, des Hannoveraner
Arztes Dr. Julius van A. freigelassen und des
Landes verwiesen. A. musste schwören, nie
mehr Brsg. und Halberstädter Gebiet zu betre-
ten und auf alle Rechte an seinem Eigentum zu
verzichten. Seine Halberstädter Besitzungen
fielen an das dortige Domkapitel. Alle Versuche,
die Enteignung rückgängig zu machen,
schlugen fehl. Selbst die Intervention des Kur-
fürsten von Brandenburg, des Statthalters
Moritz von Oranien, der Generalstaaten und der
Staaten von Friesland blieben erfolglos. Die
Generalstaaten ernannten A. 1617 zum ersten
Gesandten bei den Hansestädten Lübeck und
Hamburg, wo er ab 1619 auch wohnte. Dieses
Amt bekleidete A. über mehr als ein Jahrzehnt.
Er führte Verhandlungen mit Friedrich IV. von
Dänemark, Tilly und Wallenstein. Im Jahre
1635 reiste A. vermutlich in eigener Sache nach
Wien, wo er sich mit dem Katholizismus ver-
traut machte. Im folgenden Jahr erhielt er von
den Generalstaaten erneut einen diploma-
tischen Auftrag. Er sollte sich beim Kaiser in
Wien für die Neutralität seines Landes einset-
zen. Doch die Regierung war mit dem Ergebnis
der Verhandlungen nicht zufrieden und rief ihn
1637, kurz nachdem er in den Freiherrenstand
erhoben worden war, zurück. Auf dem Rückweg
nach Den Haag warnte man ihn vor den Agenten
der Generalstaaten, deren Angriff er nur mit
Glück entging. A. floh zurück nach Wien. Dort
konvertierte er zum Katholizismus und starb