7
Vorwort
Die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland um 1900 betrug statistisch nur 45 Jahre, innerhalb von 100 Jahren ist sie auf
85 angestiegen. Zurückzuführen ist das in besonderem Maß auf die Anstrengungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit
Wasser in der Zeit der Industrialisierung und auch danach. Von 1850 bis 1900 stieg die Einwohnerzahl in Braunschweig von ca.
39.000 auf 128.000 und bereits 1926 wurde die Grenze von 200.000 überschritten. Frisches Wasser wurde ab 1864 aus dem
Wasserwerk im Bürgerpark für die rasant anwachsende Zahl von Einwohnern in immer größeren Mengen über neue Wasserver-
sorgungsleitungen bereitgestellt. Da ist es kein Wunder, dass die Techniker und Ingenieure der damaligen Zeit nach einer Lösung
gegen die zunehmenden Schmutzwassermengen suchen mussten, die ungehindert über Gräben der Oker zugeführt wurden. Die
schlechten hygienischen Verhältnisse der damaligen Zeit kann man aus zeitgenössischen Schilderungen erahnen, vorstellbar ist
es für uns heute nicht.
Bei der Suche nach technischen Lösungen konnte man zunächst auf die mittelalterlichen Gräben zurückgreifen, die umgebaut
und überbaut wurden. Ein Konzept gab es anfangs nicht, erst später. Wenn man sich mit diesem Teil der Stadtgeschichte be-
schäftigt, kann man feststellen, dass die Zusammenhänge spannend sind. Sie haben für die gesellschaftliche Entwicklung, die
wirtschaftliche Prosperität und auch für den Aufenthaltswert in der Stadt Braunschweig eine nicht zu unterschätzende Be-
deutung.
Wolfgang Ernst, der Autor dieses Buches, hat dieses Thema dankenswerterweise aufgegriffen. Ich möchte ihm hier meine Hoch-
achtung aussprechen, dass er in unermüdlicher und langwieriger Sammelarbeit Dokumente zusammengetragen hat, die zum
großen Teil nicht allgemein verfügbar sind. Schon bei seinem ersten Werk „Überlebensorte – Bunker in Braunschweig“ hat er sich
eines Themas angenommen, dass viel Beachtung findet. Bei der Arbeit zu diesem neuen Buch war es für ihn sogar nötig, mehr-
mals in die Kanalisation einzusteigen. Dabei war er gewissermaßen ehrenamtlicher Mitarbeiter des Kanalbetriebes und die An-
erkennung der Kolleginnen und Kollegen der Stadtentwässerung Braunschweig ist ihm sicher.
Ich wünsche diesem Buch, dass es vielen Braunschweigerinnen und Braunschweigern und vielen Interessenten von nah und fern
eine geheimnisvolle unterirdische Welt erscheinen lässt, die bisher der Öffentlichkeit verschlossen war.
Andreas Hartmann
Kompetenzzentrum Wasser Berlin