Seite 111 - Fallersleben

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Hoffmann-Stadt Fallersleben in der Hitler-Zeit
Nach seiner Vereidigung und Amtseinführung am
18. Juni 1930 legte der neue Bürgermeister gleich ein
hohes Veränderungstempo vor. Die Errichtung eines
kommunalen Wasserwerks zur zentralen Wasserver­
sorgung zahlte 1931/32 neben anderen Baumaß­
nahmen ebenso auf sein Erfolgskonto ein wie die 1932
erfolgende Gründung des „Heimat- und Verkehrs­
vereins“.
Auch die Initiative zur Errichtung eines Schwimm­
bades, das zur Entlastung des Kommunalhaushalts
durch private Spenden finanziert und durch die Ein­
führung des freiwilligen Arbeitsdienstes erwerbslosen
Jugendlicher Beschäftigung bei den Erdarbeiten geben
sollte, ging von ihm aus. Der Beschluss des Bürgervor­
steher-Kollegiums legte aber fest, dass eine „Belastung
der Kämmereikasse und der Steuerzahler“ nicht ein­
treten dürfe.
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Denn schon längst waren die Bezüge der
Beamten und Angestellten gekürzt und der Abbau einer
Lehrerinnenstelle an der Volksschule erfolgt.
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Der
agile Bürgermeister musste sich also den Auswirkungen
der Weltwirtschaftskrise beugen, nachdem die Ver­
dopplung der Wohlfahrtsausgaben bei erlahmender
Steuerkraft und fehlenden Einsparmöglichkeiten im
Rechnungsjahr 1932/33 einen Fehlbetrag von 19.630
Mark hervorgerufen hatte.
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Hohe Wahlergebnisse für die NSDAP
Die krisenbedingte Einengung der kommunalpoli­
tischen Entwicklungsmöglichkeiten ließ viele auf einen
diktatorischen Retter hoffen, was im Juli 1932 in
Fallersleben zu einer mehrheitlichen Stimmabgabe für
die NSDAP führte. Sie erzielte bei der Abstimmung
über den neuen Reichstag mit 754 Stimmen sogar
knapp 60 Prozent,
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was deutlich über dem Reichs­
durchschnitt von 37,4 Prozent lag.
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Bei der Reichstagswahl am 6. November 1932, die
auch im Reich durch einen deutlichen Rückgang der
NSDAP-Stimmen geprägt war, erhielt die NSDAP
nurmehr 668 Stimmen oder 53 Prozent, was aber
immer noch deutlich über dem Reichsdurchschnitt von
33,1 Prozent lag.
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Die SPD vereinigte mit 344 Stimmen
mehr als ein Viertel der Wählerstimmen auf sich und
errang eine starke Minderheitenposition. Die Stimm­
abgabe für die Kommunistische Partei blieb mit 6 Pro­
zent weit hinter ihrem Reichswert von 16,8 Prozent
zurück.
Der Fall lag klar: Die Fallersleber votierten bereits
vor der Etablierung der NS-Diktatur mehrheitlich für
die Hitler-Partei, bestand doch für viele zum Anti­
kommunismus eine hohe programmatische Überein­
stimmung und verband sich mit Hitler die Hoffnung
auf Überwindung der tief greifenden Krise. Während
Ende 1932 eine Mehrheit für einen Reichskanzler Hitler
stimmte, lag die lokalpolitische Macht aber weiterhin
beim hauptamtlichen Bürgermeister und im Bürger­
vorsteher-Kollegium bei den Vertretern zweier bürger­
licher Wählerlisten, der „Bürgerlichen Einheitsliste“
und der „Wirtschaftsliste“. Die NSDAP, die im Bürger­
vorsteher-Kollegium durch Tischlermeister Kiene ver­
treten war, fungierte hier eher als politischer Kata­
lysator eines Rechtsrucks der bürgerlichen Kräfte. Die
Linksopposition bildeten fünf Männer der SPD.
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Das Freibad als NS-Vorzeigeprojekt.