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Mehr als nur die Bühne des Geschehens
MARTIN STÖBER
Vor etwa 10.000 Jahren, nach dem Ende der letzten
Eiszeit und im Laufe der Wiedererwärmung, kehrten
die Bäume zurück. Schließlich wuchs im gesamten
Fallersleber Land Wald – in seiner Ausprägung ab-
hängig vom Boden, insbesondere der Nässe des Unter-
grunds, aber auch vom Relief am jeweiligen Standort
und den längerfristigen Klimaschwankungen. Die
dichte Bewaldung wurde erst nachhaltig aufgelockert,
als die Menschen hier vor wohl mehr als 5.000 Jahren
sesshaft wurden und Ackerbau betrieben. Ein weit-
gehender, zunehmend intensiverer Landschaftswandel
trat ein, der bis heute andauert.
Dass der Mensch massiv in seine natürliche Um-
gebung eingreift, ist also mehr als offensichtlich. Doch
erst auf den zweiten Blick könnte deutlich werden, dass
die Form menschlicher Eingriffe von den naturräum-
lichen Gegebenheiten selbst abhing und abhängt, also
etwa von den örtlich anstehenden Gesteinen, den
Oberflächenformen und den Böden. Dieser Beitrag
möchte zweierlei: einige Aspekte des Zusammenhangs
von naturlandschaftlicher Ausstattung und mensch-
licher „Inwertsetzung“ ansprechen und zugleich allge
meine Informationen zur Naturgeschichte des Raumes
Fallersleben sowie Norddeutschlands präsentieren. Ist
die Landschaft also ist in der Tat mehr als nur die
Bühne menschlichen Wirkens?
Von Borkum bis Braunlage
Eigentlich sind Niedersachsens große Landschafts-
räume
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vergleichsweise wohlgeordnet. Im Norden des
Bundeslandes liegen, geformt durch die Kräfte von
Wasser und Wind, die Düneninseln, Watten und
Marschen. Sie blicken selbst in ihren ältesten Teilen
nur auf eine Naturgeschichte von etwa 7.500 Jahren
zurück und sind somit erst lange nach Ende der letzten
Mehr als nur die Bühne des Geschehens: Zur Landschaftsgeschichte Fallerslebens
Eiszeit, demWeichselglazial, entstanden. Bestimmend
für ihre Entwicklung war und ist insbesondere der Ver-
lauf des bereits mit dem Abklingen der Weichseleiszeit
einsetzenden Meeresspiegelanstiegs.
Nach Süden schließt sich die Geest an, an deren
Oberfläche zunächst die überwiegend sandigen Glet
scherablagerungen – die Moränen und Sander – des
Eiszeitalters (Pleistozän; Beginn vor etwa 1,8 Millionen
Jahren) liegen. Prägend für diesen Landschaftsraum
war dabei in Niedersachsen in erster Linie die vorletzte,
nach der Saale benannte Eiszeit. Da das Material nicht
aus der jüngeren Weichseleiszeit stammt, spricht man
auch von Altmoräne. Darüber hinaus kennzeichnen
zahlreiche Moorgebiete, aber auch Binnendünen-
flächen und die weiträumigen Auen der Urstromtäler
die Geest. Diese Landschaftselemente sind jünger,
stammen aus der Weichsel- oder sogar der Nacheiszeit,
welche vor gut 11.000 Jahren begann. Am Südrand der
Geest liegen unter den hier nur dünnen oder „gering-
mächtigen“ Geestablagerungen weit verbreitet kalk-
haltige Mergel aus dem Tertiär und der Kreidezeit; auf
diese Zeitstufen wird weiter unten noch eingegangen.
Auf dem weiteren Weg nach Süden folgt zunächst
die Börde
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, die ihre Fruchtbarkeit der Ablagerung
„staubiger“ Sedimente verdankt. Dieser Staub, Löss
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ge-
nannt, entstand überwiegend im Laufe der Weichsel-
eiszeit, als der Wind relativ feinkörnige Stoffe aus
vegetationsfreien Gebieten auswehte, die sich dann in
einer Zone südlich des Eises absetzten, wo die ersten
Pflanzen Fuß gefasst hatten. Hier verfing sich der
lockere Löss in dieser Vegetation.
Das Baumaterial des Niedersächsischen Berg- und
Hügellandes ist deutlich älter. In diesem Landschafts-
raum erreichen in der Regel die Festgesteine des Erd-
mittelalters oder „Mesozoikums“ die Erdoberfläche.
Die Namen der drei sogenannten Formationen des Erd-
mittelalters – mit abnehmendem Alter: Trias, Jura und