ohnehin schon fast völlig zerstört war. Kein Gebäude, das ohne
Schäden dastand – selbst am Stadtrand nicht.
Die Verwüstungen der Bombenangriffe hatten seit Monaten bizarre
Bilder produziert. In den Bäumen flatterten Bettwäsche und zerris-
sene Gardinen. Mitten in die Andreaskirche hinein hatte der Explo-
sionsdruck von Luftminen eine riesige Linde geschleudert, die nun
zwischen den verkohlten Bänken lag. In manchen Häusern waren
die Außenmauern weggerissen und gaben den Blick frei auf tape-
zierte Schlafzimmerwände und halbe Küchen, in denen noch Tische
und Schränke standen und Bilder an den Wänden hingen.
8 Uhr:
Die Amerikaner unterbrachen die Kanonade für etwa ein-
einhalb Stunden, um eine angekündigte Rede Berthold Heiligs abzu-
warten. Er sollte gegen 8.15 Uhr im „Drahtfunk“ sprechen.
Tausende Menschen drängten sich bang, aber doch auch voller
Hoffnung um die Volksempfänger, um die Kunde von der kampflo-
sen Übergabe der Stadt zu hören. Doch das Gegenteil geschah. Bert-
hold Heilig forderte die Bevölkerung zum Kampf auf und erklärte
Braunschweig zur Festung, die bis zum „letzten Blutstropfen“ ver-
teidigt werden sollte. „Wir haben dem Führer einen heiligen Eid
geschworen, unser Leben für Deutschland einzusetzen. Dieser Eid
verpflichtet uns auch heute noch. Allen Gerüchten zum Trotz:
Braunschweig kapituliert nicht und wird nicht kampflos dem Feind
übergeben. Ich fordere alle waffenfähigen Männer auf, sofort am
Kreisbefehlsstand zu erscheinen.“
(24)
Heilig berief sich auf den erst kurz zuvor, am 19. März, ergangenen
„Nero“-Führerbefehl der „verbrannten Erde“, die den Angreifern zu
hinterlassen sei. Geradezu wahnwitzig beschwor er noch einmal die
„Werwolf“-Untergrundbewegung, die – erst wenige Tage zuvor von
Josef Goebbels sozusagen „erfunden“ – jeden Deutschen zwischen
15 und 70 zu den Waffen rief. Das Motto lautete: „Der Werwolf hält
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IV. Kapitel