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Verehrte Leserinnen und Leser,
liebe Besucherinnen und Besucher,
rechtzeitig zum 875jährigen Jubiläum der Grundsteinle-
gung des Kaiserdoms konnte 2010 die mit großem Auf-
wand betriebene Restaurierung zum Abschluss gebracht
werden. Die Maßnahmen galten im Wesentlichen der vor-
hergehenden ‚Restaurierung‘, der von August Essenwein
konzipierten und vom Hofmaler Adolf Quensen um 1890
kongenial umgesetzten Raumfassung. Die farbenpräch-
tigen, das Innere der Kirche prägenden Malereien konnten
vor dem Verfall gerettet, ein herausragendes Zeugnis
schöpferischer Denkmalpflege des Historismus somit für
die Zukunft bewahrt werden.
Ausgangpunkt und Grundlage der Intervention des 19. Jahr-
hunderts waren die unter dicker Tünche in der Hauptapsis
entdeckten Reste bauzeitlicher Malereien. Sie wurden
nach ihrer Freilegung übermalt; allein die Augenpaare der
drei nördlichen Heiligenfiguren sparte man aus. Hinter der
Folie der historistischen Überformung gibt sich an diesen
Stellen das Original zu erkennen, lässt sich dem „Mittel-
alter in die Augen schauen“. Idealisiertes und ‚reales‘ Mit-
telalter sind, obwohl durch Epochen voneinander getrennt,
zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk verschmolzen.
Der Kaiserdom –1135 von Kaiser Lothar III. als Benedikti-
ner-Abteikirche gegründet und heute im Besitz der Stiftung
Braunschweigischer Kulturbesitz – gehört zu den bedeu-
tendsten Denkmälern romanischer Baukunst in Deutsch-
land. Er zeichnet sich durch eine für die Zeit fortschrittliche
Gewölbearchitektur sowie durch eine überaus reiche, von
oberitalienischen Bildhauern geschaffene Bauskulptur aus
− Merkmale, die ihre angemessene Würdigung erst erfah-
ren, wenn sie in den übergreifenden Kontext der abendlän-
dischen Baugeschichte der Romanik gestellt werden.
Auch die geschichtliche Bedeutung des Kaiserdoms für
die Region und weit darüber hinaus ist kaum zu überschät-
zen. Der ‚Dom‘ steht für christlich-imperiale Herrschaft in
einer Zeit, die einerseits durch die Nachwirkungen des
großen Konflikts des Mittelalters zwischen Papst- und
Kaisertum, andererseits durch die Rivalität der Herrscher-
geschlechter geprägt war. Die Kirche ist Grablege der kai-
serlichen Familie: An der Seite Lothars III. wurden seine
Gemahlin Richenza sowie Heinrich der Stolze bestattet,
welfischer Herzog, Schwiegersohn des Kaisers und Vater
Heinrichs des Löwen. An seiner Person lassen sich die
dynastischen Pläne Lothars III. festmachen, die auf ein
sächsisch-welfisches Kaisertum hinausliefen. Nur weni-
gen ist bewusst, dass die Geschichte der Welfen in Nord-
und Mitteldeutschland in Königslutter ihren Anfang nimmt.
Die fünf in diesem Band zusammengefassten Beiträge kom-
petenter Autoren – ergänzt durch zahlreiche Abbildungen –
mögen Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, das nötige Hin-
tergrundwissen vermitteln, das aus unserer Sicht für ein
‚Verstehen' dieses großartigen Bauwerks unerlässlich ist.
Eine erkenntnisreiche und kurzweilige Lektüre wünscht
Ihnen
Tobias Henkel
Direktor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz
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