Seite 108 - Kirchenbuch

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Di et r i ch Kuessner
der, Eltern und Hausangestell-
te dienen sollte. Er wurde vom
Ortspfarrer vorgenommen. Da
aber bereits der Sonntag Vor-
mittag mit pflichtmäßigen Got-
tesdienstbesuchen verplant
war, war der Besuch am Nach-
mittag nicht beliebt und muss-
te durch herzogliche Erlasse
erzwungen werden.
Diese Vermittlung christlicher
Grundkenntnis auf den drei
Ebenen Haus, Schule, Kirche
durch Eltern, Lehrer, Pfarrer
wurde in der Kirchenordnung
von Herzog August von 1657
fortgeschrieben. Sie sah im 18.
Kapitel vor, „Wy dy Leere des
Catchismi bey Alten und Jun-
gen mit fleis getriben werden
soll“. Ihre Durchführung ge-
hörte zur strengen Pflichtübung und ihre Versäumnis hatten „Un-
gnade des Herzogs“ und „wirklich schwere Strafe“ zur Folge.
Aber diese Kirchenordnung war eine Schreibtischfigur und hatte
mit der Lebenswirklichkeit der Menschen nichts zu tun. Ihre
Durchführung stieß auf zwei hohe Hindernisse. Die Menschen
beurteilten alle Vorschläge danach, ob sie ihnen in ihrem Überle-
benskampf um ausreichende Nahrung und gegen die Mangelpe-
rioden, im Kampf gegen Wetterkatastrophen, gegen Krankheiten
und Seuchen und schließlich gegen Kriegszeiten nützlich waren.
Schule und Sonntagnachmittagsgottesdienste rangierten in die-
sem fundamentalen Überlebenskampf an hinterer Stelle. Eine
weitere Hürde war die Sprache. Man sprach zu Hause und bei
der Arbeit plattdeutsch, in der Schule und Kirche hochdeutsch.
Das Hochdeutsche erwies sich als die Umgangssprache einer hö-
heren Gesellschaftsschicht, der die übliche christliche Gemein-
de auf dem Lande nicht angehörte. Dieser so schön geplante Ka-
techismusunterricht scheiterte daran, dass die Kinder nicht zur
Schule, sondern zur Arbeit auf den Acker geschickt wurden, und
Abb. 1
Martin Luther:
Enchiridion. Der kleine
Catechismus für die ge-
meine Pfarrherrn und
Prediger (1620),
Quelle:
Landeskirchliches
Archiv Wolfenbüttel,
Bibliothek