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Di et r i ch Kuessner
kenntnis unser selbst (Frage 1-13), von des Menschen Erlösung
(Frage 14-25) und wie der Mensch solcher Erlösung teilhaftig
wird“ (26-49). Diesem „für die allereinfältigsten“ gedachte Teil
folgte ein weiterer, sehr viel umfangreicherer für Fortgeschritte-
ne, der in 239 Fragen die fünf Hauptstücke behandelte.
Es regierte aber auch in diesem Reformkatechismus vor allem
die Lehre. In dem ersten Teil über die Selbsterkenntnis wurde der
Konfirmand darüber instruiert, dass er „in Sünden empfangen
und geboren“ sei. „Ja, ich bin aus sündlichem Samen gezeugt
und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen“, soll der Kon-
firmand antworten. Der Pfarrer bohrte noch nach: „Weil du in
Sünden empfangen und geboren bist, hast du auch wirklich ge-
sündigt?“ „Ja“. „Woher weißt du das? Aus den zehn Geboten“.
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Mit diesem Menschenbild wurde die Prügelstrafe in Schule und
Unterricht begründet; die Sünde sollte herausgeprügelt und da-
nach die Gnade Gottes zu einem neuen Christenmenschen hin-
eingegossen werden. So ging auch dieser nach dem Geschmack
der damaligen Zeit fortschrittliche Katechismus an der Erlebens-
welt der Jugendlichen völlig vorbei.
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Abb. 3:
Konfirmanden in der
Kirchengemeinde
Wendeburg mit Pfarrer
Carl Schlüter (um
1929), Fotonachweis:
Landeskirchliches
Archiv Wolfenbüttel