Seite 117 - Kirchenbuch

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1868 fand die offizielle Eröffnung der „Idioten-Anstalt zu Erkerode“ statt, im Bereich
zwischen Braunschweig, Wolfenbüttel und Schöppenstedt gelegen. Im Jahre 1878,
zehn Jahre nach Gründung, lebten in Neuerkerode 132 Menschen mit Behinderung,
105 von ihnen kamen aus Braunschweig.
Besonders die schulische Förderung der Bewohner war Stutzer ein großes Anliegen.
1879 kam es jedoch zum Zerwürfnis zwischen Stutzer und dem Braunschweigischen
Staatsministerium. Stutzer kündigte daher 1879 seine Tätigkeit in Neu-Erkerode.
Sein Nachfolger wurde Pastor Karl Palmer (1833-1917). Er erreichte in Gesprächen mit
der Braunschweigischen Staatsregierung, dass zwei Schulinternate errichtet werden
konnten. Die in den Jahren 1901/02 entstandenen, für ihre Zeit hochmodernen Gebäu-
de verfügten über fließendes Wasser, Badewannen, elektrisches Licht und sogar Tele-
fon. Nicht zu unterschätzende Akzente setzte Palmer auch in den Bereichen Arbeit
und Öffentlichkeitsarbeit. Stärkere Anbindung, besonders nach Braunschweig, erhielt
die ‚Anstalt’ mit der Eröffnung der „Braunschweig-Schöninger-Eisenbahn“ 1901. In
einem Werbeblatt beklagte 1907 Palmers Nachfolger Wilhelm Broistedt (1871-1915)
Ressentiments von Eltern gegenüber der gesetzlich auferlegten Schulpflicht für behin-
derte Menschen in der einzigen Bildungsanstalt für behinderte Jugendliche des Her-
zogtums in Neuerkerode.
2. KRISEN
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Der Erste Weltkrieg führte zu einer elementaren wirtschaftlichen Krise. Neue wirt-
schaftliche Einbußen erfolgten durch die „Weltwirtschaftskrise“ von 1929-1933. 1932
trat die
„Verordnung zur Einsparung nutzloser Fürsorgeerziehungskosten“
in Kraft und
führte zu einer massiven Verelendung in Neuerkerode. Die Begrifflichkeiten „wert-
voll“ und „minderwertig“ wurden in der damaligen Sozialpolitik populär.
Der in der Folge um sich greifende Gedanke einer „Vernichtung unwerten Lebens“
fand bei weiten Teilen der Bevölkerung Akzeptanz. Die Nationalsozialisten nahmen
ihn für ihre rassenpolitischen Ziele auf. Aber auch der ‚Centralausschuss der Inneren
Mission‘ formulierte schon am 20. Mai 1931 bei einer Tagung in Treysa, die Konferenz
sehe „[...] in gewissen Fällen die Forderung zur künstlichen Unfruchtbarmachung re-
ligiös-sittlich als gerechtfertigt“ an.
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Das am 14. Juli 1933 veröffentlichte
„Gesetz zur
Verhütung erbkranken Nachwuchses“
führte allein bis 1938 zu 101 Zwangssterilisatio-
nen an Frauen und Männern, die in Neuerkerode lebten.
Ab Oktober 1939 wurden im Rahmen der „Aktion T4“ „Euthanasie“-Maßnahmen er-
möglicht. Leiter in Neuerkerode war seit 1915 Pastor Ludwig Beyer (1867-1942), der in