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E INFÜHRUNG
Will Kirche ihrem Auftrag gerecht werden, bedarf sie der fortwährenden Erinnerung
ihrer Wurzeln.
Im Jahr 1889 formulierte der Superintendent und Kirchenhistoriker Johannes Beste
den Bedarf an einem Buch, „das die Entwickelung unsrer Landeskirche einheitlich
und zusammenfassend behandelt“
1
. Sein Werk sollte diese Lücke füllen und hat in der
Tat über einen langen Zeitraum als maßgebliche Informationsquelle für die Geschich-
te der Braunschweigischen Landeskirche gedient.
Die Feier des 400-jährigen Reformationsjubiläums motivierte 1968 einen Autoren-
kreis, sich wichtiger Etappen der Landeskirchengeschichte neu zu erinnern. Sie klam-
mert allerdings die Zeitgeschichte und damit insbesondere die Zeit des Nationalsozia-
lismus weitgehend aus, eine bewusste Entscheidung der zum großen Teil aus den
landeskirchlichen Arbeitsbereichen stammenden Autoren, welche jedoch von An-
fang an nicht nur Verständnis und Akzeptanz fand.
40 Jahre später hat sich auf Anregung von Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber er-
neut ein Kreis von insgesamt 17 Autorinnen und Autoren an die Erarbeitung einer
Überblicksdarstellung zur Geschichte der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in
Braunschweig begeben. Diese liegt unter dem Titel „Von der Taufe der Sachsen zur
Kirche in Niedersachsen“ nunmehr vor. Sie versteht sich als Beitrag zur Braunschwei-
gischen Landesgeschichte, selbstverständlich aus der Perspektive der kirchenge-
schichtlich relevanten Fragestellungen. Auf der Ebene des religiösen und landes-
kirchlichen Geschehens verdeutlicht sie analog zur Landesgeschichte die
wechselnden reichs-, landes- und regionalgeschichtlichen Dimensionen der histori-
schen Vorgänge im Braunschweiger Land. Im Unterschied zu ihren Vorgängerinnen
bindet sie die Geschichte der Landeskirche explizit an ihre mittelalterlichen Wurzeln.
Die Reformationszeit, mit der die bisherigen kirchengeschichtlichen Gesamtdarstel-
lungen für Braunschweig begannen, läuft so nicht Gefahr, als jäher Traditionsabbruch
missverstanden zu werden. Sie kann vielmehr als ein sich in Etappen vollziehender,
von Brüchen und Rückschlägen gekennzeichneter Neuanfang dargestellt werden. Die
tiefgreifenden Veränderungen werden vor dem Hintergrund des Vorherigen umso
deutlicher. Viele Brücken verbinden aber die neuzeitliche Kirchengeschichte noch
mit der altkirchlichen Tradition. Mittelalterliche Kirchen und Kirchenkunst zeugen
von der Wertschätzung, welche die mittelalterliche Ästhetik vielerorts heute noch er-
fährt. Ebenfalls dazu gehören liturgische Gewohnheiten, die sich nur langsam verän-
dernde Amtshandlungs- und Beichtpraxis, mittelalterliche Stiftungen oder die Orien-
tierung, die das mittelalterliche Klosterleben generell dem evangelischen