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Re i nha r t Staats
Braunschweig wollte er zu einer Hauptstadt im Reich ausbauen. In seiner von ihm ge-
bauten Hofkirche, der Stiftskirche St. Blasii, wurde Heinrich der Löwe 1195 an der Sei-
te seiner Gemahlin Mathilde, der Tochter König Heinrichs II. von England, bestattet.
Die Herrschaft der alten Sachsenherzöge bedeutete auch, dass sie selbst die kirch
lichen Leitungsorgane kontrollierten und oft auch organisierten. Bis zur Entmachtung
Heinrichs des Löwen in den Jahren 1178-1180 war das tatsächlich eine sowohl politi-
sche als auch kirchliche Herrschaft, die im Westen bis an die Ems, im Norden bis an
die beiden Meere, im Osten bis kurz vor Magdeburg und im Süden bis an die obere
Werra reichte. Unter Kaiser Otto IV., Heinrichs des Löwen Sohn, war sogar noch ein-
mal das Reich im Lande Braunschweig zu Hause (1208-1218). Unter Kaiser Friedrich
II. vollendete sich jedoch die Vorherrschaft der süddeutschen Stauferdynastie im Hei-
ligen Römischen Reich. Damit begann auch die eigentliche Geschichte des Herzog-
tums Braunschweig.
Auf dem Mainzer Hoftag 1235 wurde mit einer Goldbulle Friedrichs II., ein Enkel
Heinrichs des Löwen, nämlich „Otto das Kind“, zum Reichsfürsten und Herzog von
Braunschweig erhoben. Die Schmach der Verbannung des Löwenherzogs durch sei-
nen Vetter, Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“ und damit auch jeder welfische Anspruch
auf königliche Herrschaft im Reich sollten fortan der Vergangenheit angehören.
Nach dem Sturz Heinrichs des Löwen wanderte der Name „Sachsen“ weiter ins öst
lichere Deutschland. Das neue Herzogtum hieß „Herzogtum Braunschweig“ (
duca-
tus de Brunswic
). „Im Gegensatz zum heute üblichen ‚Braunschweig-Lüneburg‘ ist
das die staatsrechtlich korrekte Begrifflichkeit des 13. Jahrhunderts“.
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Dieses vom
Stauferkaiser Friedrich II. geschaffene neue Herzogtum Braunschweig war natürlich
erheblich kleiner als das Sachsenland Heinrichs des Löwen; aber es umfasste immer
noch mehr Land als die neuzeitliche Braunschweigische Landeskirche, die heute
den amtlichen Titel „Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig“ trägt.
Die Entstehung dieses Herzogtums Braunschweig im Jahr 1235 hatte für die deutsche
Geschichte eine Signalwirkung. Denn Friedrich II., der vorwiegend in Italien seine
Königs- und Kaiserherrschaft zu behaupten suchte, hatte damit auch allgemein die
Verfestigung der territorialen Herrschaften auf deutschem Boden begünstigt. Da-
durch verfestigte sich zugleich das landesherrliche Kirchentum auf deutschem Bo-
den, welches ebenso wie der spätere Föderalismus bis heute eine Eigenart deutscher
Geschichte geblieben ist.
Das mittelalterliche Herzogtum und mit ihm seine Kirche erlebte bis 1495 zwölf dynas-
tisch bedingte Teilungen des welfischen Territoriums. Erstaunlich aber ist, dass die
Stadt Braunschweig und die Gebiete der heutigen Landeskirche ein Kernbestand die-
ses Herzogtums über die Jahrhunderte hinweg geblieben sind. Bei allen Teilungen
blieb bis 1671 sogar die Stadt Braunschweig gemeinsames Eigentum aller Linien, was