Seite 28 - Kirchenbuch

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Re i nha r t Staats
wenn Heinrich IV. und Adalbert Erfolg gehabt hätten. (Im Jahr 2006 tauchte beiläufig
die Nachricht auf, dass Papst Benedikt XVI. den seit Leo dem Großen, um 450, kir-
chenrechtlichen Titel eines Patriarchen „des Westens“ (
Occidentalis patriarcha
) abge-
legt habe. Sollte das ein Zeichen der Vollendung des Investiturstreites sein, so dass
der Papst des Westens in dieser Form seinen Primat sogar über die Patriarchen des
Orients behaupten wollte?).
Führer der Bewegung gegen Heinrich IV. war sein Vetter Graf Ekbert II. (gest. 1090),
derselbe, der mit seiner Frau Gertrud aus den kleinen Anfängen Braunschweigs eine
Stadt europäischen Formats zu machen strebte. Doch die Kämpfe Ekberts und seiner
sächsischen Verbündeten gegen Heinrich IV. waren gar nicht von cluniazensischem
Eifer getragen, sondern von Empörung gegen königliche absolute Herrschaft über
Sachsen, konkret gegen den Bau königlicher Burgen im Lande. Jedoch ließ sich Ekbert
1081 nicht dazu verleiten, als dritter Gegenkönig aufzumarschieren wie vorher der
Schwabe Rudolf von Rheinfelden (gest. 1080) und der Lothringer Hermann von Salm
(gest. 1088), der Weihnachten 1081 in Goslar gesalbt und gekrönt worden war. In jenen
Jahren war Kaiser Heinrich in Italien, um dort sein großes Reich zu verteidigen.
DER GEIST VON CLUNY IN SCHÖNINGEN UND KÖNIGSLUTTER
Das eigentliche Land Braunschweig blieb auch, anders als Goslar, in den wirren Jahr-
zehnten des Investiturstreites kirchenpolitisch unentschieden. Das cluniazensische
Reformmönchtum konnte sich, wie doch zu erwarten gewesen wäre, in dem von den
Salierkaisern bedrohten Lande nicht durchsetzen. Dabei mögen auch die verwandt-
schaftlichen Beziehungen der Brunonen zu den Saliern eine Rolle gespielt haben.
Eine Ausnahme waren die Mönche von Ilsenburg, die schon vor 1100 der Regel des
burgundischen Klosters Cluny folgten. Das änderte sich erst langsam unter Lothar III.
von Süpplingenburg und seinen welfischen Nachfolgern. „Zwar war Lothar in seiner
antisalischen Haltung als Herzog zutiefst von den Idealen der vom ostsächsischen
Adel getragenen Kirchenreform durchdrungen. Als Herrscher wahrte er freilich kon-
sequent die königliche Kirchenherrschaft über die Regalien der Reichsbistümer und
-abteien“.
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Ähnlich ambivalent verhielt sich später Heinrich der Löwe.
Die nach Lothars Kaiserkrönung in Rom im Jahr 1135 gegründete riesige Kirche St. Pe-
ter und Paul in Königslutter sollte zwar auch eine Grabstätte der Welfenherzöge und
kaiserlichen Familie werden, war aber eigentlich kein „Kaiserdom“, wie man oft
meint, sondern die Abteikirche eines Benediktinerklosters, das dann doch enge Be-
ziehungen zu Cluny in Burgund hatte. Vorher hatte an selber Stelle eine Gemeinschaft
von geistlichen Frauen gewohnt, die Graf Bernhard von Haldensleben um 1050 dort
hingeholt hatte. Die Damen, denen man aus cluniazensischer Strenge den wohl über-