Di e mi t te l a l ter l i che K i rche im Braunschwe i ger Land
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ben Wasserströme als Gaben
des Heiligen Geistes aus. Sie
münden in sieben Taubenme-
daillons. Die sieben Geistesga-
ben werden nach dem Prophe-
ten Jesaja (11,1-3,Vulg) auf der
mittleren Zierleiste zitiert:
„Weisheit (
sapientia
), Verstand
(
intellectus
), Rat (
consilium
),
Stärke (
fortitudo
), Wissen-
schaft (
scientia
), Frömmigkeit
(
pietas
), Gottesfurcht (
timor
Dei
)“. Darunter thront Maria
mit den Aposteln. Diese die
Bedeutung von Kultur und
Wissenschaft herausstellende
Lehre ist auch reformatorisch.
Martin Luther hatte einen alten
karolingischen Hymnus ins
Deutsche übersetzt: „Komm,
Gott Schöpfer, Heiliger Geist
[…] Du bist mit Gaben siebenfalt der Finger an Gotts rechter
Hand“. Im Evangeliar ist eine linke Hand vor dem Kreuz Christi
zu sehen. Im Evangeliar war so offensichtlich das Hervorgehen
des Geistes „aus dem Vater
und dem Sohn
“ dargestellt. Eine ähn-
liche Darstellung möchte man im siebenarmigen Leuchter des
Braunschweiger Domes erkennen. Wie hier im Evangeliar die Ga-
ben des Heiligen Geistes von Christus nach unten in die Welt aus-
strömen, so wachsen diese Gaben dort im Dom siebenarmig aus
dem Stamme Christi nach oben hinaus.
DIE L INKE HAND GOTTES UND IHRE THEOLOGISCHE
TRADI T ION
Im Pfingstbild des Welfenevangeliars strömen vor dem Hinter-
grund des Kreuzes Christi die sieben Gaben des Heiligen Geistes
von der segnenden Hand Gottes hinunter in das Reich der Apos-
tel und der Jungfrau Maria. Es ist eine linke Hand. Im Krönungs-
bild desselben Evangeliars kniet Heinrich der Löwe neben der
stehenden Herzogin Mathilde. Doch die Segnung und himmli-
Abb. 16:
Pfingstbild, Evangeliar
Heinrichs des Löwen,
aus: Cod. Guelf. 105
Noviss. 2°, fol. 112v.,
Quelle: Herzog August
Bibliothek Wolfen-
büttel