Seite 77 - Kirchenbuch

Basic HTML-Version

Evange l i sche K l osterpo l i t i k
509
te die Stiftung des Klosters zur Ehre Gottes ganz im Sinne der Klosterordnung ihres
herzoglichen Schwiegervaters von 1655
5
solchen Frauen zu Gute kommen, welche die
Zeit ihres Lebens dem Dienste Gottes widmen wollten, aber nicht aus eigener Kraft
dazu in der Lage waren.
6
Über die Einweihung des Klosters am 26. Juni 1701 existiert ein ausführlicher Tage-
buchbericht des späteren Herzogs Ludwig Rudolf. Die Vereidigung der ersten sieben
Konventualinnen und ihrer Domina, Floriane von Kötzler, nahm der Kanzler, Probst
von Wendhausen, vor.
7
Den Einsegnungsgottesdienst versah Obersuperintendent
Specht, Abt zu Riddagshausen.
8
Der Gründungsurkunde des Klosters vom 24. Mai 1701 war eine Klosterregel beige-
fügt, welche sich offensichtlich am Muster des freiweltlichen adeligen Stiftes Steter-
burg orientierte.
9
Beide Stifte dienten verschiedenen Ständen als Versorgungsstätte
für unverheiratete Töchter, waren jedoch nach demWillen ihrer Stifter vorrangig geist-
liche Einrichtungen. Die hauptsächliche Pflicht der Konventualinnen bestand daher
im regelmäßigen Gottesdienstbesuch, Lesen, Beten und Singen für das Lob Gottes,
für das Wohl der herzoglichen Familie und für Frieden und Wohlfahrt im Land.
Die Möglichkeit zur Heirat blieb den Stiftsdamen unbenommen. Von Anfang an wur-
de ihnen auch eine gewisse Eigenständigkeit in der Haushaltung zugebilligt.
10
Damit
entsprach das Kloster der typischen Entwicklung des frühneuzeitlichen und neuzeit-
lichen Stiftslebens und knüpfte nicht an die ältere Klostertradition mit gemeinsamem
Schlafsaal und
mensa communis
an.
Gleiches gilt für den Klostergarten, der offensichtlich schon bei seiner Anlage eine
Parzellierung in einzelne Stücke unterschiedlicher Größe aufwies, welche mit Obst-
bäumen bepflanzt waren. Um 1788 waren sogar 19 Nonnengärten und der Garten der
Domina verzeichnet.
11
Die individuelle Gartennutzung entsprach dem um 1700 offen-
bar schon gängigen Standard in der Lebensweise der Stiftsdamen und war auch aus
der Notwendigkeit heraus entstanden, den eigenen Haushalt zu versorgen.
12
Eine Besonderheit der frühen Jahre, aber durchaus im Sinn der Klosterordnung von
1655
13
, war die Einrichtung einer herzoglich geförderten Mädchenschule für Töchter
bürgerlichen Standes. Nach den Statuten war es den Konventualinnen des Klosters
zur Ehre Gottes erlaubt, je „eines ehrlichen Mannes Tochter in Kost zu nehmen und in
wahrer Gottesfurcht und jungfräulicher Arbeit zu unterrichten“.
14
Da hiervon zunächst
kein Gebrauch gemacht wurde, verpflichtete sich Herzog Anton Ulrich 1705, für die
Verpflegung der ersten acht Mädchen im Alter von acht Jahren die Kosten zu über-
nehmen.
15
Herzog August Wilhelm beendete nicht zuletzt aus Kostengründen nach
dem Tod seines Vaters das Schulexperiment.
16