Seite 34 - Luftfahrtgeschichte

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GERHARD ACKERMANN
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Sternmotoren ihre Propeller rotieren und versetzen die Passagiere in ein er-
wartungsvolles Hochgefühl. Die Tante Ju D-AQUI ist hier auf dem Flugha-
fen Braunschweig-Waggum kein ganz seltener Gast, seit sie sich 1986 von
einer altersschwachen Greisin, Geburtsjahr 1936, durch beispiellosen Ein-
satz engagierter Restauratoren der Hamburger Lufthansa-Werft zu einer vi-
talen Lady verjüngt hat. Wieder einmal sind Rundflüge über Braunschweig
angesagt. Wer Glück hatte, durfte dabei sein, eine halbe Stunde lang den
nostalgisch tiefen Sound der Motoren (von Ignoranten als Fluglärm verun-
glimpft) genießen, durfte aus der Zugvogelperspektive die Welt, die Stadt
betrachten, beschaulich über sie hinweg schweben und dabei so viel Bekann-
tes völlig neu entdecken, wie z. B. dort unten den markanten Straßenring des
Siegfriedviertels. Auf diesem Gebiet zwischen Nibelungenplatz und Bien­
roder Weg war einst Braunschweigs Luftschiffhafen angelegt. Eine Zeppe-
linlandung 1912 auf dem ersten Braunschweiger Flugplatz, dem Großen
Exerzierplatz, hatte die begeisterten Braunschweiger zu dieser visionären
Gründung eines zentralen Lufthafens mit zweitem Flugplatz mobilisiert.
Aber wegen des begonnenen 1. Weltkrieges blieb das Projekt unvollendet
und wurde 1917 aufgegeben. Dabei sollte gerade hier Braunschweigs Luft-
verkehr einmal seinen Anfang nehmen, lange bevor Flugzeuge dazu in der
Lage waren.
Während des 1. Weltkrieges aber holten die Flugzeuge den Entwicklungs-
rückstand sprunghaft auf. Das konnten die interessierten Braunschweiger auf
ihrem dritten Flugplatz beobachten, an der Broitzemer Straße, wo heute
beim Blick aus den großen Fenstern der Tante Ju auf das Häusermeer der
Weststadt vom Flugplatz nichts mehr zu sehen oder auch nur zu ahnen ist.
Aber hier begann damals nun wirklich der Luftverkehr nach dem Ende des
1. Weltkrieges und vor Inkrafttreten des restriktiven Versailler Vertrages.
Am 25. Mai 1919 landete in Anwesenheit offizieller Vertreter der Stadt, der
Presse und vieler begeisterter Zuschauer das entmilitarisierte zweimotorige
Großflugzeug vom Typ Friedrichshafen G III A der Deutschen Luft-Reede-
rei (DLR) aus Berlin-Johannisthal mit 4 Besatzungsmitgliedern und 2 Passa-
gieren sowie 150 kg Post, davon 50 kg für Braunschweig. Die weitergehende
Post wurde umgeladen in ein einmotoriges Flugzeug Typ LVG C II zum
Weiterflug über Hannover nach Gelsenkirchen. Die DLR war die damals
leistungsfähigste deutsche Luftverkehrsgesellschaft. Sie führte das 1918 von
dem Berliner Architekturprofessor Otto Firle (1889 – 1966) für die DLR ent-
worfene Kranichsymbol, das bis heute als Firmenzeichen der Deutschen
Lufthansa in Gebrauch ist. Die tägliche Flugstrecke von Berlin nach Gelsen-
kirchen und umgekehrt mit Zwischenlandung in Hannover war die dritte
Fluglinie der DLR. Die Landung in Broitzem aber hatte eine Braunschwei-
ger Delegation in der Reichshauptstadt im Reichsluftamt und bei der DLR
ertrotzt. Aber die am 25. Mai 1919 in dem siebensitzigen Flugzeug aus Berlin