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unterschiedlich und die Motive sind es auch. Muss
denn immer eine Leiche im Spiel sein? Im Spiel
vielleicht!
Der Seminarraum im Artmax lag im zweiten
Stock und war wohl temperiert, aber in den Köpfen
der Teilnehmer kochte es. Jeder sollte als Erstes einen
Plot konzipieren. Die Werkzeuge – also der Pro
tagonist, das Setting und all die anderen Accessoires,
die man für einen Krimi braucht – hatten wir vor-
mittags erarbeitet, jetzt ging es ans Eingemachte.
Was wäre, wenn mir einer meine Idee klaut, dachte
ich. Mord im Dom, und die städtischen Organ
isatoren des Kaiser-Otto-Jahrs versuchen den Fall zu
vertuschen. Lassen die Leiche verschwinden, nur
um die touristische Sensation im Herbst, auf die
man hinfieberte und in die man so viel investiert
hatte, nicht zu gefährden. Oder die Kinderleiche im
BIOS, dem Schüler-Labor des Zentrums für Infek
tionsforschung! Mein Gott, die ganze Stadt der
Wissenschaft würde in Misskredit geraten. Jugend-
liche an die Forschung heranzuführen, das hatte
man sich anders vorgestellt! Die Tote in der Asse, die
Wasserleiche im Salzgitter-See oder der Sprengstoff-
Anschlag auf die Quadriga vom Vorhängeschloss.
Themen gab es genug. Hatte ich etwa beim Mittag-
essen zu viel ausgeplaudert?
Weshalb ausgerechnet Günther meine Story
schreiben wollte, werden wir nun wohl nicht mehr
erfahren. Erst dachte ich noch: Anständig von ihm,
als er in der Kaffeepause zu mir kam und sagte, er
habe ein bisschen Bammel vor dem Vorlesen gleich,
ob ich mir seinen Text vorher nicht einmal ansehen