Seite 18 - Muslime_in_Wolfsburg

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Interessant ist allerdings auch, dass sich immerhin 14
%
der Befragten offenbar bereits
in den ersten Monaten ihres Arbeitsaufenthalts in Wolfsburg dazu entschlossen, den
Rest ihres Lebens im vielversprechenden Deutschland zu verbringen.
3. Haben Sie Ihre Kinder in die Heimat (Tunesien) geschickt?
Ja
Nein
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Da viele der tunesischen Gastarbeiter planten, in die Heimat zurückzukehren, sollten
ihre Kinder in Tunesien die Schule besuchen. Schließlich waren die Menschen davon
überzeugt, schon in absehbarer Zeit wieder als Familie in der Heimat zusammenzu-
leben. Kaum vorstellbar war zu Beginn der Zeit in Wolfsburg, vielleicht viele Jahre von
der Familie getrennt allein in Deutschland zu leben.
Entsprechend wurde einerseits die Frage, ob man die Kinder bereits im Kindesalter
zurück in die Heimat schickte, von einer deutlichen, aber nicht überwältigenden Mehr-
heit der Befragten bejaht. Andererseits entschieden sich immerhin fast 40
%
der Befrag-
ten für einen Schulbesuch ihrer Kinder in Deutschland.
In diesem Zusammenhang scheint noch erwähnenswert, dass viele der Kinder, die in
Tunesien die Schule besucht hatten, bereits vor Vollendung des 16. Lebensjahres – und
damit nach der 9. Klasse – zurück nach Deutschland und damit zurück nach Wolfsburg
kamen. Diese Schüler hatten häufig keinen in der Bundesrepublik akzeptierten gülti-
gen Schulabschluss und mussten entsprechend die 9. Klasse an einer Realschule wieder-
holen. Die Schulplätze an Realschulen wurden deshalb für diese Schülerinnen und
Schüler ausgesucht, weil sie ausreichende bis sehr gute Sprachkenntnisse in der fran-
zösischen Sprache nachweisen konnten. Die tunesischen Jugendlichen hatten Franzö-
sisch als erste Fremdsprache und besuchten an zwei Nachmittagen in der Woche den
Hocharabischunterricht. Am Ende des Schuljahres absolvierten sie eine obligatorische
Sprachprüfung, damit Arabisch als zweite Fremdsprache im Zeugnis verzeichnet
werden konnte.
Andere Familien von tunesischen Gastarbeitern organisierten das Leben ihrer Kinder
in der Heimat anders. Sie ließen die Mädchen und Jungen bis zum Abitur bei nahen
Verwandten; erst nach bestandener Hochschulreife kamen die jungen tunesischen
Erwachsenen dann nach Deutschland, um in der Nähe ihrer Eltern zu studieren. Vor
der Aufnahme eines Studiums an einer deutschen Universität war das Besuchen eines
Deutschkurses jedoch obligatorisch. Dieser Deutschkurs endete mit einer DSH-Prüfung
(Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang). Trotzdem hatten viele dieser
jungen Menschen spätestens während des Studiums mit starken Verständnisschwierig-
keiten zu kämpfen.
Konflikte und Auseinandersetzungen mit Mutter und Vater waren die Folge, in denen
die Kinder ihre Eltern für die sprachlichen Defizite verantwortlich machten – sprach-
liche Defizite, die ihrer Meinung nach aus der „Fehlentscheidung“ resultierten, sie in
Tunesien zur Schule geschickt zu haben.