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ie letzte Nacht im April – Vollmond
und klarer Sternenhimmel:
Walpurgisnacht! Noch etwas
berauschende Hexensalbe eingerieben und
die Warzenhaare gebürstet. Bloß nicht die
Glaskugel vergessen! Nach dem Hexentanz
am Feuerplatz wollte man schließlich einen
Blick in die Zukunft werfen. Kreischend
bestieg die Hexe Übele ihren Reisigbesen.
Und jetzt ab in die Lüfte!
Wie Peitschenhiebe klang es von allen Seiten.
Sternförmig flogen die Hexen keifend und
johlend aus allen Richtungen zusammen
weiter in den Harz. Aber heute machte ihre
Anführerin Übele einen kleinen Umweg – zum
Haus des Schneiders. Dieser dreiste Kerl hatte
sie doch letztes Jahr von seinem Fenster aus
erkannt und frech gegrüßt, sogar mit Namen
angesprochen – ihr Geheimnis verraten! Sie
hatte ihn sofort bestrafen müssen, das
forderte das Hexengesetz! Ein Zauberspruch,
und schon war sein Kopf so angeschwollen
gewesen, dass er ihn nicht mehr aus dem
Fensterkreuz zurückziehen konnte. „Seht, er
musste ein neues Fenster einbauen!“, kreischte
Übele. „Was kümmert dich der unbedeutende
Schneider, wartet doch der Fürst der
Unterwelt auf uns! Wir müssen uns beeilen,
sonst fordert er andere zum Tanz“, mahnte
ihre Hexenfreundin. Plötzlich sahen sie auf der
Erde den schwachen Schein einer Laterne.
Wer wagte es, zum Hexenflug
hinaufzuschauen? Der Schneider! Er forderte
ihre Macht ein zweites Mal heraus. Dafür
sollte ihn die höchste Strafe treffen – ihr Fluch!