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Montag, 7. Juli 2008
Lieber Felix,
du mit deinem großen Herzen! „Wenn du es in
Bumsdorf gar nicht mehr aushältst, komm einfach
zu mir nach Hamburg!“
Aber inzwischen ist die Lage an der Bumsdorfer
Front doch um einiges erträglicher für mich gewor
den. Klar, mit meinem Vater unter einem Dach zu-
sammen zu wohnen, wurde immer heikler, und vor
zwei Wochen hat er mich bei einem lautstarken
Streit ganz rausgeschmissen. Gott sei Dank hatte ein
Cousin von ihm, der Vetter Wassertreter (so heißt er
tatsächlich!), genau das schon vorausgesehen und
mir angeboten, er würde mich bei sich aufnehmen.
Nun wohne ich also bei ihm im Gästezimmer, bin
im Dorf so ziemlich von der öffentlichen Bildfläche
verschwunden und versuche, erstmal ein bisschen
zur Ruhe zu kommen.
Der Vetter Wassertreter ist das andere schwarze
Schaf in unserer Familie. Ehemals aktiver 68er, geht
er heute zwar einer geregelten Arbeit beim Straßen-
bau nach, aber er pfeift immer noch auf die bürger-
liche Gesellschaft und ihre Konventionen. Er lässt
mich einfach so sein, wie ich bin, steht 100% hinter
mir und liebt es, von meinen Erfahrungen in ande-
ren Ländern zu hören, mit mir über Kulturunter-
schiede und Gesellschaftspolitik zu diskutieren.
Durch diesen Vetter, der ja eigentlich ein Großcou
sin von mir ist, lerne ich hier in Bumsdorf endlich
Menschen kennen, mit denen ich was anfangen
kann und mit denen ich gerne zusammen bin. Z. B.
hat er mich mit der Frau Claudine bekannt gemacht,