Seite 15 - Zwangsarbeit

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1. Die Kriegswirtschaft im Land Braunschweig
1939-1945
1.1. Grundzüge der braunschweigischen Kriegswirtschaft
Norman-Mathias Pingel
Wirtschaftliche Strukturen bei Kriegsbeginn
Das Land Braunschweig, geographisch in der Mitte des Deutschen Reichs gelegen, wies
seit dem Dreißigjährigen Krieg eine ungünstige territoriale Struktur auf. Im Schatten
weitaus größerer und mächtigerer Nachbarn wie Hannover und Preußen besaß das Land
im 19. Jahrhundert den Status eines typischen deutschen Kleinstaates. Seit dem Tod des
letzten welfischen Herzogs aus dem Jüngeren Haus Braunschweig im Jahr 1884 schien
für knapp drei Jahrzehnte während zweier Regentschaften, die durch landesfremde Fürs-
ten ausgeübt wurde, eine dauerhafte staatliche Eigenständigkeit des Landes in Frage
gestellt zu sein. Die kleinstaatlichen Standortnachteile
1
verdeutlichten sich besonders seit
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als das Land wie alle deutschen Bundesstaaten
von der Industrialisierung erfasst wurde. Braunschweig zählte nicht zu den industriellen
Ballungszentren im 1871 entstandenen Deutschen Reich. Die durchaus beachtliche wirt-
schaftliche Entwicklung schien gehemmt und beeinträchtigt durch eine ungünstige Ver-
kehrssituation, vor allem hinsichtlich der Platzierung im deutschen Eisenbahnnetz. Wirt-
schaftliche Interessen des preußischen Staates, der bekanntlich im Deutschen Reich eine
unangefochtene Vormachtstellung besaß und 1882 zum Nachteil Braunschweigs in den
Besitz der braunschweigischen Staatsbahnen gelangt war, ließen das kleine Land in eine
verkehrspolitische Abseitslage geraten. Bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme
im Jahr 1933 hatte es sich daraus nicht befreit.
Die Wirtschaft des Landes Braunschweig war durch die Weltwirtschaftskrise seit Ende
der Zwanziger Jahre erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die nationalsozialistische
Wirtschaftspolitik sah sich 1933 vor die Aufgabe gestellt, die über 50.000 Arbeitslosen
des Landes wieder in Erwerbstätigkeit zu bringen
2
. Die von staatlicher Seite im Sommer
1933 eingeleiteten großen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie die Sanierung der Braun-
schweiger Altstadt und der Bau der Autobahn sowie weitere Notstandsarbeiten
1
Die ursprünglich günstige Einbindung der Stadt Braunschweig im mittelalterlichen Fernstraßensystem (Ost-
West, bzw. Nord-Süd-Orientierung), die auf den Einfluss Heinrichs des Löwen zurückzuführen ist und den
wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt begründete, verlor im 18. u. 19. Jahrhundert an Bedeutung. Vgl. dazu:
Bernhard
Stubenvoll
, Das Raumordnungsgeschehen im Großraum Braunschweig zwischen 1933 und
1945. Braunschweig 1987, Anm. 363.
2
Folgendes nach Birgit
Pollmann
, Hans-Ulrich
Ludewig
, Nationalsozialistische Wirtschaftspolitik im Lande
Braunschweig 1930 – 1939. Teil 2; in: Braunschweigisches Jahrbuch 66, 1985, S. 129-172. – Vgl. auch: Hans-
Ulrich
Ludewig
, Das Land Braunschweig im Dritten Reich (1933 – 1945); in: Die Braunschweigische Lan-
desgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region. Hg. v. Horst-Rüdiger
Jarck
und Gerhard
Schildt
.
Braunschweig 2000, S. 981-1024, bes. S. 998 ff.
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