Seite 102 - Fallersleben

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Mit Stempel und Siegel
WERNER STRAUSS
Die Wurzeln der Postbeförderung und der damit ein­
hergehenden Fuhrverbindungen reichen zurück bis in
das ausgehende Mittelalter, als fürstliche, zunftliche
und städtische Boten für Post- und Kurierdienste ein­
gesetzt wurden. Ihre Tätigkeit war oft beschwerlich
und gefahrvoll, weil sie zum Teil weite Reisen unter­
nehmen mussten und immer wieder auch Überfällen
ausgesetzt waren.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts verfügte der
Celler Hof der Herzöge zu Braunschweig-Lüneburg
bereits über ein gut ausgebautes fürstliches Boten­
wesen. Mit Kanzlei- und Regierungsordnungen wurde
der Geschäftsbetrieb der Boten geregelt. Danach
mussten alle anwesenden Boten „des Morgens zu
sieben Uhren auf die Cantzeley kohmen und sich an­
geben und Bescheides gewarten, ob man sie zu ge­
brauchen habe.“
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In der weiteren Entwicklung des Postwesens über­
nahm das Fürstenhaus Thurn und Taxis eine Schlüssel­
funktion. Im 17. Jahrhundert unterhielten die Thurn
und Taxis bereits zahlreiche Postlinien im Süden und
Westen Deutschlands, und auf einem kaiserlichen
Regal bauend, versuchten sie auch den Norden pos­
talisch zu erschließen. Die Taxissche Fahrpost ver­
kehrte zweimal wöchentlich auf der Strecke von
Frankfurt nach Hamburg über Braunschweig, nachdem
Kaiser Ferdinand III. seinen Einfluss 1645 bei den
welfischen Fürsten geltend gemacht hatte.
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Haupt­
funktion der damals eingerichteten Postlinien war die
Verbindung der fürstlichen Residenzen und der be­
deutenden Wirtschaftszentren miteinander.
Obwohl die Postbediensteten alle möglichen An­
strengungen unternahmen, war der Nachrichtenver­
kehr mit manchen Mängeln behaftet. Der schlechte Zu­
stand von Straßen und Wegen sowie die karge
Ausstattung der Postkutschen beeinträchtigten die
Reiselust und führten immer wieder zu Verspätungen
und Unfällen. Ein weiterer Risikofaktor für die Fahr­
post war die Gefahr durch Raubüberfälle, und Reisen
war teuer und damit nur für einen kleinen Personen­
kreis zu realisieren.
Bis zum 17. Jahrhundert waren für die Post­
bediensteten die Bezeichnungen „Postknecht“ oder
„Post­reiter“ gebräuchlich. Postreiter waren einzeln un­
ter­wegs und beförderten in der Regel Briefsen­dungen.
Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges kam
der Begriff „Postillon“ für den Postreiter auf. Populär
und damit gebräuchlich wurde die Bezeichnung
„Postillon“ für den Gespannführer einer Postkutsche,
die sowohl für den Personentransport, als auch für die
Postbeförderung eingesetzt wurde. Äußerlich kennt­
lich war der Postillon an seiner Uniform und dem Mit­
führen eines Posthorns. Die Dienstkleidung wies den
Postillon als Berechtigten zur Entgegennahme von
Postsendungen aus. Mit dem Posthorn signalisierte er
das Vorrecht beim Befahren von Wegen und Brücken
sowie seine Ankunft an den Poststationen auf seiner
Route.
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Die Belehnung des Italieners Francesco Maria
Capellini, genannt Stechinelli, zum General-Erb-Post­
meister durch die regierenden Herzöge zu Braun­
schweig-Lüneburg im Jahre 1678 gab der weiteren Ent­
wicklung des Postwesens wichtige Impulse. Stechinelli
baute neue Posthäuser und Stationen für den Pferde­
wechsel, erschloss damit das Territorium in seiner
Fläche, ließ Wege und Brücken ausbessern und den
Fuhrbetrieb erweitern.
Von den Herzögen übernahm er die Verpflichtung,
das Postwesen auf vielfältige Weise zu fördern und die
Postordnung einzuhalten. Zum Ausgang des 17. Jahr­
hunderts war die Zahl der „Postbeamten“ noch relativ
niedrig. Selbst das Postamt Hannover verfügte 1689
lediglich neben dem Postmeister nur über zwei
Schreiber, sieben Postknechte, einen dreizehnjährigen
Mit Stempel und Siegel: Die Post hält Einzug in Fallersleben