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              Fallerslebens Geschichte im Überblick
            
            
              fruchtbarem Ackerland zu werden. Jahrhunderte
            
            
              gingen die Bauern hinterm Pflug. Als die Industria
            
            
              lisierung kam und mit ihr das Bevölkerungswachstum
            
            
              und der Kalorienhunger, der nach modernen Nahrungs-
            
            
              mitteln rief, konnten hier Zuckerrüben angepflanzt
            
            
              werden.
            
            
              Im Norden Fallerslebens verblieb als Denkmal der
            
            
              eiszeitlichen Naturgeschichte ein Urstromtal. Sandig,
            
            
              eben und feucht, blieb es unbesiedelt bis in jüngste Zeit.
            
            
              Andere Zeiten, anderes Zusammenspiel zwischen Natur
            
            
              und Zivilisation: Die große Leere bildete für die Ver-
            
            
              kehrsplaner des 19. und 20. Jahrhunderts die ideale
            
            
              Trasse des Mittellandkanals. Und als die deutsche
            
            
              Diktatur in den 1930er Jahren auf Standortsuche für
            
            
              ein Industrialisierungsprojekt größten Ausmaßes ging,
            
            
              da gaben unter anderem der Verkehrsweg Kanal und
            
            
              der riesige Baugrund im Urstromtal den Ausschlag. Das
            
            
              Volkswagenwerk steht dort, bis heute ein atem-
            
            
              beraubendes Monument der Industriezivilisation. Aber
            
            
              nicht weit davon sind unverbaute Teile des Aller-Ur-
            
            
              stromtals erhalten geblieben als von der EU geschützte
            
            
              „Natura 2000“-Gebiete. Vom Glockenberg Fallerslebens
            
            
              geht der Blick in das weite, vom eiszeitlichen Schmelz-
            
            
              und Flusswasser geschaffene Urstromtal. Und weiter
            
            
              nördlich schließt sich die Geest an, eine von sandigen
            
            
              und lehmigen Ablagerungen der verschiedenen Eis-
            
            
              zeiten geprägte Landschaft.
            
            
              
                Land und Herrschaft:
              
            
            
              Das „Alter“ Fallerslebens in
            
            
              Erdzeitdimensionen nachzurechnen scheint kein
            
            
              Problem zu sein. Viel schwieriger hatten es die Forscher,
            
            
              als sie auf die Suche nach Quellen für die genaue
            
            
              Datierung der Anfänge der Siedlung in historischer Zeit
            
            
              gingen. Urkundlich erwähnt wird Fallersleben zuerst
            
            
              als Ualareslebo in einer Schenkungs-Urkunde König
            
            
              Ottos. Fast ein Jahrhundert stritten die Gelehrten
            
            
              darüber, wann das Dokument wirklich ausgestellt
            
            
              worden ist. Dabei gibt es keinen Zweifel, dass der Ort
            
            
              viel älter ist als sein erstes Auftreten im Licht der ge-
            
            
              schriebenen Geschichte um die Mitte des 10. Jahr-
            
            
              hunderts. Denn die Verbreitung der Ortsnamen mit
            
            
              dem Bestandteil „Leben“ geschah in der späten Völker-
            
            
              wanderungszeit. Die Forschung hat einen ostfälischen
            
            
              Stamm der „Warnen“ im Blick, der mit den „Lebens“-
            
            
              Orten eine Spur hinterlassen habe. Wobei es beim
            
            
              „Leben“ nicht ums lebendige Sein geht, sondern ums
            
            
              „Erbe“. Der Fleiß der mittelalterlichen Urkunden-
            
            
              schreiber spiegelt die viele Jahrzehnte dauernde
            
            
              Karriere Fallerslebens von der „villa“, dem „dorp“ zur
            
            
              „civitas“. Spätestens seit dem Jahre 1371 gab es eine
            
            
              Burg, später ein landesherrliches Schloss. Der Platz
            
            
              wurde damit ein politischer Raum sui generis – nicht
            
            
              Stadt im rechtlichen Sinn der Stadtrechtsverleihung,
            
            
              mit der Tendenz zur Unabhängigkeit und Expansion,
            
            
              aber auch nicht mehr weltenferne Bauernsiedlung. Was
            
            
              uns an anderen Orten einen Begriff von der mittelalter-
            
            
              lichen Fassung einer Siedlung geben kann, der Kirchen-
            
            
              bau, ist in Fallersleben leider wegen der Abrissfreude
            
            
              des 19. Jahrhunderts nicht erhalten. Dennoch wissen
            
            
              wir aus den Archiven um die viele Jahrhunderte
            
            
              gültigen Koordinaten des Lebens. Die wirtschaftliche
            
            
              und politische Realität in Fallersleben unterschied sich
            
            
              nicht von der agrarischen Welt in ganz Mitteleuropa.
            
            
              Bauernland war Herrenland, im Lehenswesen auf
            
            
              niedrigere Stufen des Adels übertragen, der als Grund-
            
            
              herr die Spielregeln bestimmte und durch „Ämter“ öko-
            
            
              nomische und soziale Macht ausübte. Das Muster von
            
            
              „Land und Herrschaft“ blieb im Großen über Jahr-
            
            
              hunderte konstant. Im Detail aber erweist es sich im
            
            
              Raum Fallersleben als ewig wechselndes Puzzle, das
            
            
              nur Spezialisten erklären können. Alles ist hier ein
            
            
              wenig unübersichtlich, weil sich Lehensrechte ver-
            
            
              schiedener Herrschaften überlappten: Die Interessen
            
            
              der Erzbischöfe von Magdeburg, des Bischofs von
            
            
              Hildesheim und der Welfenherzöge stießen aneinander.
            
            
              Bis ins 14. Jahrhundert behaupteten sich die Grafen
            
            
              von Wohldenberg in Fallersleben, die von den Staufern
            
            
              im Einvernehmen mit dem Erzbischof von Magdeburg
            
            
              eingesetzt worden waren. Seit Anfang des 14. Jahr-
            
            
              hunderts zeigten die welfischen Herzöge zunehmend
            
            
              mehr Interesse an diesem Gebiet. Aber in verwickelter
            
            
              Gemengelage beanspruchten auch die Bischöfe von