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Aus jüngster Zeit
BÄRBEL WEIST
Bei einer mehr als 1000-jährigen Geschichte sind 30
Jahre eine sehr kleine Zeitspanne. Wenn man sich
diese drei Jahrzehnte genauer ansieht, stellt man fest,
dass sich eine Menge ereignet hat und dass in diese
Zeit u.a. die deutsche Wiedervereinigung und der Ein-
tritt in das 21. Jahrhundert fielen.
Im Jahr 1976 entschied ich mich, für den Ortsrat
zu kandidieren. Vier Jahre vorher hatte die Stadt
Fallersleben ihre kommunale Selbstständigkeit ver-
loren und war im Zuge der Gebiets- und Verwaltungs-
reform der Stadt Wolfsburg zugeordnet worden. Die
Kommunalwahlen im Jahr 1976 ergaben in Fallers-
leben eine politische Veränderung. Die SPD mit Werner
Lange als Ortsbürgermeister verlor die Mehrheit. Die
CDU gewann: Manfred Ludwig wurde Ortsbürger-
meister. Nach nur drei Jahren legte er das Amt nieder
und zog kurze Zeit später in eine andere Stadt. Der
CDU stand aufgrund des Wahlergebnisses das Vor-
schlagsrecht zu. Ich war die Jüngste und neben Ilse
Hennies (CDU) aus Sülfeld und Marlis Schumann
(SPD) aus Fallersleben eine der wenigen Frauen im
Ortsrat. Manfred Ludwig schlug mich als seine Nach-
Aus jüngster Zeit: Ein sehr persönlicher Rückblick auf drei Jahrzehnte Fallersleber Geschichte
folgerin vor. Als sich diese Nachricht in Fallersleben
herumsprach, tauchte eine Frage auf, die ich bis heute
nicht vergessen habe. Sie lautete: „Habt Ihr denn
keinen Mann, der so was kann?“ Die folgenden Wochen
waren für mich nicht leicht. Einerseits freute mich das
Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde. Anderer
seits überlegte ich, ob ich den Erwartungen und Auf-
gaben gewachsen sein würde und ob sich Beruf, Familie
und Politik miteinander „unter einen Hut“ bringen
lassen würden. Es war natürlich auch eine Heraus-
forderung. Ich war in Fallersleben geboren und erhielt
die Chance, in meiner Heimatstadt Bürgermeisterin zu
werden. Mein Vater hatte ein Mandat im Rat der Stadt
Fallersleben. Er hatte viele Jahre vorher versucht, mein
Interesse für die Kommunalpolitik zu wecken, damals
noch ohne Erfolg. Nach dem Rücktritt Ludwigs ent-
schied ich mich, die Chance zu nutzen und mich zur
Wahl zu stellen. Schließlich gab es eine Menge zu tun
und eine Frau hatte dieses Bürgermeisteramt in der
über 1000-jährigen Geschichte Fallerslebens noch
nicht ausgeübt.
In öffentlicher Sitzung wurde ich am 10. Dezember
1979 im Hoffmannhaus zur Ortsbürgermeisterin für
Fallersleben und Sülfeld gewählt. In meiner ersten An-
sprache erklärte ich, dass ich die Erfahrung gemacht
hätte, dass Frauen doppelt so viel arbeiten müssen, um
das Gleiche zu erreichen wie ein Mann. Dazu sei ich
bereit. Ich versicherte, mich für das Wohl von Fallers-
leben einzusetzen, insbesondere auch für Menschen,
die keine Lobby hätten. Was auf mich zukommen
würde, ahnte ich nicht. Ich begann, jung an Jahren,
unerfahren, mit Freude, Begeisterung, Mut und vielen
Ideen mit der Arbeit. Einige nannten mich schon nach
ein paar Wochen „Fallersleben-Babsi“, andere meinten,
zwei Jahre mit einer Übergangsbürgermeisterin müsste
man aushalten. Es war kein leichter Weg, für den ich
mich entschieden hatte.
Ortsratssitzung Anfang der 1980er Jahre.