Seite 53 - Fallersleben

Basic HTML-Version

107
Aus der Geschichte einer alten Superintendentur
aufnahme von Novizen. Dem Staatshaushalt kamen die
Einkünfte der aufgehobenen Klöster zugute; die Im-
mobilien wurden zu Stiftungsvermögen mit sozialen
und kulturellen Zwecken zusammengefasst.
13
Anders als von Luther vorgesehen, übernahm der
Landesherr nicht nur vorübergehend, sondern dauer-
haft die Leitung der Kirche.
14
Die Bekenntnisschriften,
Ritusvorschriften und Kirchenordnungen wurden fort-
an von ihm erlassen und deren Befolgung bei Kirchen-
visitationen kontrolliert.
15
Auf Visite
Nach der eigentlichen Reformation wurden Visitationen
zur Kontrolle der Gemeinden und ihrer Fortschritte in
Kirche, Schule und im sittlichen Leben durchgeführt.
Die sich daraus ergebenden Mängellisten waren An-
lass für weitere Maßnahmen. Mit diesem dritten Schritt
wurde die Reformation permanent.
Für die Visitationen bildete sich bald ein hie­
rarchisches System heraus: der Generalsuperintendent
kontrollierte die Superintendenten, die Superinten­
denten die Pastoren und Gemeinden ihrer Ephoral­
bezirke. An der Spitze stand das Konsistorium als
oberste geistliche Behörde, dessen formaler Leiter der
Landesherr war.
16
Zu Beginn seiner Amtszeit führte
jeder Generalsuperintendent im ganzen Land eine
General-Kirchenvisitation durch.
17
Der Superintendent war Pastor wie jeder andere,
außer, dass er eine Aufsichtspflicht für die Amtsbrüder
in seinem Ephoralbezirk trug.
18
Außerdem musste er bei
größeren Baumaßnahmen eingeschaltet werden. Er er-
schien wie der Nachfolger des mittelalterlichen Archi-
diakons, deshalb wurde der alte Titel z.B. in Dannenberg
beibehalten. Seit 1570 war Fallersleben Superintendentur;
diese umfasste die Gemeinden in Hattorf, Heiligendorf,
Jembke, Neindorf, Ochsendorf, Rhode und Sülfeld. Es
fanden deshalb in Fallersleben umfangreiche Neubauten
statt: das Pfarrhaus, eine Scheune, die Küsterei, das Pfarr-
witwenhaus und eine Mauer um den Kirchhof.
19
Die Verknüpfung von Kirche und Staat in der Spitze
setzte sich auf unterer Ebene fort: Superintendent und
Amtmann bildeten die Kirchenkommission und
visitierten zusammen die Gemeinden. Dabei kümmerte
sich der Amtmann um die Rechnungsbücher,
kontrollierte die Einkünfte und das Anlagevermögen,
20
der Superintendent überprüfte die Amtsführung, Lehre
und Predigt des Pastors sowie den Zustand der Ge-
meinde. Grundlage für den Gemeindebesuch war
einerseits die Kirchenordnung mit Gesetzeskraft,
andererseits die vom Konsistorium und Landesherrn
ausgearbeitete Instruktion für die Visitation. Während
eine Kirchenordnung für längere Zeit galt, wandelten
sich die Fragekataloge in den Instruktionen häufiger.
Die Visitationsinstruktionen bieten einen guten
Überblick über die anstehenden Probleme: Bei den
Pastoren sollte deren Lehrbefähigung und Einhaltung
aller vorgeschriebenen Amtshandlungen überprüft
werden („daß sie Christliche Lehre vorerst selbst recht
verstehen und darnach andere lehren können“), bei den
Gemeindemitgliedern deren wöchentlicher Besuch des
Gottesdienstes, ihr Verhalten im Gottesdienst und All-
tag sowie ihre Kenntnis des Katechismus. Großer Wert
wurde auf die Vorbildung der Lehrer und ihren Unter-
richt gelegt.
21
So wurde den Lehrern der Inspek­tion
Fallersleben das Schulgeld gekürzt, als das Amt erfuhr,
dass sie im Sommer keinen Unterricht erteil­ten.
22
Die „Caspelleute“ sollten über ihren Pastor befragt
werden, „ob er auch viel mit dem Bauren in Krug geh
oder sonsten Bier im Hause schenke“.
23
Diese Frage
hatte sich als nötig erwiesen, weil in den ersten Jahr-
zehnten der Reformation manche Pastoren Nebenein-
künfte hatten; u.a. waren sie als Bierbrauer und Gast-
wirte tätig, was ihnen verboten wurde.
24
Außerdem
sollten in allen Gemeinden die Kirchhöfe eingefriedet
und Pfarrwitwenhäuser errichtet werden.
25
Die Kenntnis und Einhaltung der richtigen Lehre war
anfangs das Hauptproblem, denn viele Prediger hatten
nur oberflächliche Dogmenkenntnisse und mussten von
den Superintendenten nachgeschult werden. Für Pries­
ter, die aus der alten Kirche übernommen worden waren,