Seite 66 - Fallersleben

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Im Mittelpunkt
anlasste Hoffmann von Fallersleben zu sarkastischen
Versen auf das miserable Fallersleber Amtsbier.
Verwöhnung
Den Teufel sah man eines Tags
Mit einer Seel‘ entschweben,
Das war ein ungeratner Sohn
Vom Flecken Fallersleben.
Die Sonne brannte fürchterlich,
Schwül war es allerorten,
Als wären plötzlich aufgetan
Die weiten Himmelspforten.
Da schrie das arme Unglückskind:
„Ach, hätt‘ ich Trank und Speise!“
Doch schneller, immer schneller ging
Dahin die luft‘ge Reise.
Bei jedem Wirtshaus, das es sah
Da fleht‘ es um Erbarmen:
„O gönne doch ein Tröpfchen Bier,
Ein Tröpfchen nur mir Armen!“
Vorüber ging es pfeilgeschwind
An Dörfern und an Krügen:
Dem Teufel machte nun einmal
Einkehren kein Vergnügen.
Vorüber ging es pfeilgeschwind
An Quellen und an Teichen:
Es ließ sich nicht das harte Herz
Des Teufels mehr erweichen.
„O gnäd‘ger Herr von Satanas,
O hab‘ mit mir Erbarmen
Und gib mir doch, ich verschmachte schier,
Ein Tröpfchen Tau mir Armen!“
Da ließ der Teufel endlich sich
Zum Mitleid noch bewegen
Und flog zu einer Pfütz‘ herab
Voll Jauche, Schlamm und Regen.
Er tauchte seinen Schwanz hinein
Und ließ ihn dann geschwinde
Hingleiten durch das trockne Maul
Dem armen Menschenkinde.
„Ha!“ rief es himmelhoch entzückt
Zum Teufel augenblicklich,
„Wie schmeckt das Fallersleber Bier
So wunderbar erquicklich!“
August Hoffmann (von Fallersleben)
7. Oktober 1840
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Die landbesitzenden wie die landlosen Einwohner
waren dem Amt hand- und spanndienstpflichtig. Land­
besitzer waren nach Größe, Alter und Lage ihrer Höfe
in Bauernklassen eingeteilt (Voll- und Halbmeier, Groß-
und Halbkötner, Brinksitzer). Die Meierhöfe waren die
ältesten und bestanden bereits seit dem Mittelalter. Die
Höfe der Kötner oder Kotsassen kamen später hinzu,
zuletzt die der Brinksitzer.
Die Bezeichnung ‚Kot‘ verweist auf die Lage der
Ländereien: Sie lagen auf dem ‚Kamp‘, außerhalb des
ursprünglichen Gemeinschaftsackers eines Dorfes,
dem ‚Esch‘. Brinksitzer waren Nebenerwerbsbauern auf
schlechtem Land, oftmals Handwerker oder Gewerbe­
treibende. Alter, Lage, Größe und Qualität der
Ländereien bestimmten nicht nur die Abgabenlast der
Höfe, sondern auch Art und Umfang der Dienst­
pflichten. Während die Meier hand- und spanndienst­
pflichtig waren, dem Amtmann also neben körper­
licher Arbeit auch ihre Gespanne für die Landbestellung
und für Fuhren zur Verfügung stellen mussten,
schuldeten die unteren Bauernklassen nur Handdienste,
dafür aber in größerem Umfang.
Die Arbeitspflicht der Untertanen umfasste eine
Fülle von Tätigkeiten: Arbeit auf Äckern, Wiesen und
Weiden des Amtshaushalts, Holz fällen und trans­
portieren, Botengänge, Bau und Reparatur von Wegen
und Gebäuden, Arbeiten an Flüssen und Teichen,
Treiberdienste bei der Jagd, Wachdienste auf den
Feldern, sogar die Bewachung von Gefangenen.
Das Recht des Amtmanns, die Arbeitskraft der
Untertanen in Anspruch zu nehmen, ermöglichte erst
die Bewirtschaftung der umfangreichen Ländereien
des Amtes. Sie inspirierte aber auch zu Erweiterungen