Seite 78 - Fallersleben

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Die Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft
Die Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft
KURT G. P. SCHUSTER
AmAnfang stand nicht die Gründung einer literarischen
Gesellschaft, sondern ein Ankauf von Archivalien:
1929 sandte der Rat des gerade erst mit Stadtrechten
ausgestatteten Fleckens Fallersleben den Lehrer und
Bürgervorsteher Theodor Rehn mit 300 Reichsmark
nach Berlin, wo er im Auktionshaus Heinrici ersteigerte,
was nach dem Tod des Hoffmann-Sohnes Franz an
‚Hoffmanniana’ noch im Familienbesitz verblieben war.
Die im Sinne unserer nationalen Literaturgeschichte
bedeutenden Teile des Nachlasses hatte Hoffmann
selber schon Anfang der 50er Jahre und sein Sohn 1903
an das Geheime Staatsarchiv in Berlin verkauft.
Was in Fallersleben ankam, waren neben einer
großen Zahl von Originalhandschriften seiner poli­
tischen Lyrik scheinbar unbedeutende Zeugnisse seines
Lebens bis hinunter zu Rechnungen und Haushalts­
büchern. Gedacht war auch anfangs nicht an Forschung,
sondern an die Ausstellung solcher Exponate im
Rahmen eines Heimatmuseums, das der 1932 ent­
standene Heimat- und Verkehrsverein gründen wollte.
Dieser Plan scheiterte am Widerstand des Gifhorner
Landrats Dr. v. Wagenhoff, der neben dem in Gifhorn
schon bestehenden Heimatmuseum kein zweites im
Kreise haben wollte. Ein Hoffmann-Museum fand aber
seine Zustimmung, und darauf verlagerten sich folg­
lich die Bestrebungen in Fallersleben. Der Heimat- und
Verkehrsverein wurde bei gleichbleibender Zielsetzung
am 5. Februar 1938 umgetauft in „Hoffmann-von-Fal­
lers­leben-Gesellschaft“.
1934 hatte die Stadt Hoffmanns Geburtshaus er­
worben, 1935 und 1936 wurde es von dem Braun­
schweiger Architekten Professor Flesche renoviert. Im
Obergeschoss standen danach drei Räume für das ge­
plante Hoffmann-Museum zur Verfügung und konnten
anlässlich der Wiedereröffnung des Hauses den Be­
suchern zugänglich gemacht werden. Alle diese Aktivi­
täten gingen auf die Initiative des Bürgermeisters Otto
Wolgast zurück, der den Heimat- und Verkehrsverein
gegründet hatte und sein erster Vorsitzender war.
Schaut man Zeitungsberichte mit den Fotos und
Reden von den Feierlichkeiten 1936 und 1938 an, wird
deutlich, dass das „Tausendjährige Reich“ auch in
Fallersleben angekommen war. Hakenkreuzfahnen
„schmückten“ das Haus, der Dank an den Führer für
„eine namhafte Beihilfe“ durfte nicht fehlen. Das
Protokoll der Hauptversammlung 1936 beklagt, „dass
die Arbeit vom Verein aus nur geringfügig gewesen sei.
Das liege zum Teil daran, dass die Kulturarbeit des Ver­
eins in der Hauptsache auf die N.S.-Kulturgemeinde
übergegangen sei.“ Wie beharrlich und resistent aber
ein solcher Honoratiorenverein sein konnte, dem Hand­
werksmeister, Lehrer, Rechtsanwälte, Ärzte und Stadt­
verwaltung angehörten, schimmert in den Protokollen
der jährlichen Hauptversammlungen durch, als 1937
Neuwahlen anstanden: „Man (wir fragen uns, wer
‚man’ ist) war der Ansicht, dass die Wahlen nach
nationalsozialistischen Grundsätzen zu erfolgen
hätten. Die Versammlung war der Ansicht, dass, so
oder so gewählt, der bisherige Vorstand im Amt bleiben
könne,“ und so wurde verfahren. Das hatte 1938 zur
Folge, dass die Satzung nach dem Führerprinzip ge­
ändert werden musste. In Punkt 8 heißt es jetzt lapidar:
„Vorsitzender der HvF-Gesellschaft ist der Bürger­
meister der Stadt Fallersleben.“; und die Vorstands­
mitglieder, so Punkt 9, werden „vom Vorsitzenden be­
rufen“ und stehen ihm „helfend und beratend zur
Seite“. Am Ende dieses Punktes zieht die Partei ein:
„Außerdem gehört der Ortsgruppenleiter der NSDAP
dem Vorstande an.“ An der Zusammensetzung von Vor­
stand und Beirat hat die Satzungsänderung nichts ge­
ändert, es bleiben die Namen von 1932: Bürgermeister
Otto Wolgast, Klempnermeister W. Walter, Rektor
Heinrichs, Lehrer Rehn, Kaufmann Biewendt jun.,
Gastwirt Behrens, Oberbahnhofsvorsteher Bösader,
Oben:
Theodor Rehn.
Unten:
Otto Wolgast.