Seite 95 - Fallersleben

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Die Fallersleber Zuckerfabrik 1879 – 1995
stimmung der abzuführenden Zuckerrübensteuer ge­
wogen wurden, um diese geschnitzelt in die kreis­
förmig angeordnete Diffusionbatterie mit seitlicher
Entleerung einzubringen. In zwei Saturationsstufen
wurde der Rohsaft gereinigt und entfärbt, schließlich
in der Verdampfstation eingedickt. Das eigentliche
Zuckerkochen erfolgte im 1. Stock im Siederaum in
einem kupfernen Vakuumbehälter, während in der im
Erdgeschoss gelegenen Füllstube die Füllmasse von
Hand in Schützenbach’sche Kästen eingefüllt wurde,
um den Zucker auskristallisieren zu lassen. In den
oberen Stock des Füllhauses zum Zentrifugieren ge­
bracht, erfolgte im Zuckerlagerhaus die Verpackung,
bevor die Ware per Bahn abtransportiert wurde. Zur
Anlage gehörten auch noch ein Kalkofen sowie ein
Kesselhaus, in dem sechs Kessel für den erforderlichen
Betriebsdampf sorgten.
Die Arbeit in der Zuckerfabrik unterteilte sich in die
Tätigkeit der Fachkräfte und Betriebsbeamten, die an­
fänglich von den Siede-, Wiege- oder Maschinenmeistern
Klaucke, Körner und Rademacher, den „Aufsehern“
Böning und Hallermann und dem Buchhalter Herbst ge­
stellt wurden, und die meistenteils körperlich anstren­
genden Arbeiten bei der Bestückung des Transport­
bandesoderderBefüllungderZuckerkristal­lisationskästen
mit der gekochten Füllmasse. Wegen der großen Hitze
in der Füllstube, die auch aus dem Umgang mit dem
heißen Zuckersaft resultierte, mussten die Füllkräfte
nackt arbeiten, was aber Verbrennungen häufig machte.
Zugleich hatten die Arbeiter während ihrer Schicht
große Mengen und damit hohes Gewicht zu bewältigen,
was manche Tätigkeit in der Zuckerfabrik nicht zu einer
süßen Angelegenheit, sondern zu einer echten Knochen­
arbeit machte.
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Bereits im Sommer 1881 investierte das Unter­
nehmen 30.000 Mark in die erstmalige Fabrikvergröße­
rung, so dass zur Kampagne 1881/82 eine arbeitstäg­
liche Verarbeitungskapazität von 4.350 Zentnern zur
Verfügung stand, was ein höheres Betriebsergebnis er­
möglichte. Hierzu war zuvor ein zweiter Frischwasser­
brunnen gebohrt, aber auch nördlich der Bahnlinie ein
Schlammteich angelegt worden, in dem sich die Fabrik­
abwässer absetzen konnten. Da sich ein kontinuierlicher
technischer Erneuerungs- und baulicher Erweiterungs­
bedarf abzeichnete, genehmigte die Generalversamm­
lung am 27. Juli 1882 die Einrichtung eines Baufonds,
in den ein Teil der Geschäftsüberschüsse flossen, um
daraus im Bedarfsfalle die beschlossenen Baugelder zu
entnehmen. 1882/83 wurden für 120.000 Mark ein
neuer Kalkofen, eine Zentesimalwaage und ein Wage­
haus angeschafft, der Fabrikhof teilweise gepflastert,
der Schnitzellagerraum vergrößert und ein zweiter
Rübenschuppen gebaut. Die Beschickung der Anlage
aus den Rübenschuppen erfolgte anstatt mit dem vor­
herigen Gurttransporteur nunmehr mittels Rü­ben­
schwemmen. Ein siebter Dampfkessel und eine ver­
größerte Maschinenausstattung steigerten den arbeits­
täglichen Rübendurchlauf auf über 6.000 Zentner. Auf
der Basis des wirtschaftlichen Erfolgs, der sich 1882/83
aus der Verarbeitung von 471.160 Zentnern Rüben und
1883/84 von 558.200 Zentnern Rüben ergab, stieg das
gezeichnete Kapital nach dem 1. Juli 1881 innerhalb
von drei Jahren von 429.750 auf 750.000 Mark. Zugleich
ermöglichte der festgelegte Ausgabeaufpreis die Aus­
stattung eines Reservefonds mit mehr als 148.000
Mark.
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Zu den Aktionären gehörten eine wachsende Zahl
von Landwirten aus der Region, die ihre Agrar­
produktion auf die Belieferung der Zuckerfabrik aus­
richteten und neben dem gesicherten Absatz zum
akzep­tablen Preis auf Dividendenzahlungen aus dem
Unternehmensgewinn bauten. Die Umstellung der
landwirtschaftlichen Erzeugung auf ein in der deut­
schen Industriegesellschaft, aber auch als Exportgut
einzusetzendes Produkt erfolgte innerhalb der ersten
fünf Jahren dynamisch, wie die Steigerung der Ver­
tragsanbauflächen auf 330 Hektar anzeigte. Die
traditionale Felderbewirtschaftung wurde durch eine
intensive Bodenbewirtschaftung samt Felderdrainage,
Kunstdüngereinsatz und Unkrautbekämpfung abgelöst.
Zugleich gab der Zuckerrübenanbau durch die Er­
weiterung des Futterangebots auch der Viehwirtschaft