Seite 11 - Herzog_Heinrich

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sein Bruder Erich von Calenberg. Ein weiterer Welfe namens Heinrich, der
Herzog von Lüneburg, mochte auch nicht abseits stehen. Sie alle hatten ihre
nicht minder darbenden Lehnsleute zum Vollzug der Reichsacht aufgeboten,
um das Küstenland an Ems und Jade ungestraft ausplündern zu können.
Das Heer der verbündeten Fürsten und Grafen hatte sich im Umland der Ems
schon eine geraume Weile mit den sturen Budjadinger Bauern herumgeschla-
gen, die ihrem alten Landesherrn die Treue hielten. Zwar waren eine Reihe
von Burgen und festen Plätzen erobert worden – die kaum genug einbrachten,
des Feldzugs Kosten zu decken.
Jetzt ist Leer an der Reihe, dem Edzard 1508 das Marktrecht verliehen hatte.
Ein leckerer Happen, der aufstrebende Seehandelsplatz. Gilt es doch, das
Kriegsvolk bei Laune zu halten und die eigenen Taschen zu füllen.
Zuvor muss Leerort fallen, mit Hilfe der Hamburger vor der Flussmündung
als Bollwerk errichtet. Das vollbracht, würde man übersetzen und Leer unge-
stört brandschatzen können. Der Festungsmauer recht nahe, doch im Rücken
eines hohen Deiches vor den Geschossen der Verteidiger sicher, wird Kriegsrat
gehalten. Die erlauchte Runde ist sich einig, die Trutzburg erst einmal sturm-
reif zu schießen. Immerhin stehen achtzehn mitgeführte Geschütze zur Verfü-
gung. Schon während der Nacht war eine Winde gezimmert und auf der
Deichkrone errichtet worden, das schwere Gerät auf den Damm zu ziehen.
‘Genug des Geschwätzes!’ mahnt Herzog Heinrich von Wolfenbüttel, der das
Kommando führt. ‘Los, Freunde – gleich ist schon Mittag! Warum sind die
Geschütze noch nicht in Stellung? Machen wir den Kerlen Beine!’ drängt er
voller Ungeduld. ‘Morgen werde ich einundfünfzig. Meinen Geburtstag will
ich drüben in Leer mit euch feiern!’
Den übrigen voraus, begibt er sich sogleich daran, die Böschung zu erklim-
men; vorüber an beherzten Junkern. Die feuern das Fußvolk an, Mörser und
Stafetten hinauf zu befördern. Stück um Stück. Sein eigener Sohn ist dabei,
fünfundzwanzig Jahre alt und gleich ihm Heinrich geheißen. Den stößt er im
Vorbeigehen aufmunternd an, ‘nur zugepackt, Heinze! Bedient euch geschickt
der Winde, dann ist es im Nu geschafft!’
Der bärtige junge Mann schaut kurz auf, lüftet den Helm und schüttelt den
Schweiß aus seinem wilden Haarschopf.
‘Das haben wir gleich. Doch gebt auf euch acht, Euer Liebden – da oben könn-
te es brenzlig werden!’ ruft er dem Vater nach.
Der will das gar nicht hören, stapft behende weiter, dicht gefolgt von Seines-
gleichen.
Von der Zinne ihrer Festung die Deichkrone deutlich im Blick, herrscht Unru-
he bei den Verteidigern, einem durch hundert Landsknechte verstärkten bäu-
erlichen Aufgebot.
Der Söldnerhauptmann und ein ehrbarer Geschützmeister aus Emden spähen
über das Gesims, erkennen die Aussichtslosigkeit ihrer Lage. Der erfahrene
Offizier kaut grimmig an seinen Barthaaren. Dem anderen, bewandert im Ein-
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23. Juni 1514