satz jeder Art Mauern brechender Waffen, steht der Angstschweiß auf der
Stirn.
‘Mehr als ein Dutzend schwerer Geschütze! Wir haben nur ein einziges – und
du stehst im Weg, Nichtsnutz von Sohn!’
Ein fünfzehnjährige Bub springt aufgeregt umher, lugt vom Rohr der mit Zun-
der und Steinkugel versehenen Feldschlange hinüber zu dem verräterischen
Gestell auf der Deichkuppe.
‘Erlaubt mir doch einen Schuss – nur einen, verehrter Vater – bei Gott und der
heiligen Jungfrau, habt ihr mich nicht euer Handwerk gelehrt?’
Der Befragte blickt unschlüssig den Hauptmann an, vermerkt dessen Achsel-
zucken; so lange nur ein Fünkchen Hoffnung besteht, das Leben seiner teuren
Landsknechte zu schonen – –
‘So sei es denn: ein Zeichen darfst du setzen! Unsere Bereitschaft zu unterhan-
deln auf geziemende Weise kundtun! Und dann hinweg mit dir, mein Kind,
nach unten! Besorg schon mal ein weißes Stück Tuch!’
Der Knabe jauchzt vor Freude, tritt hinter das Geschütz, nimmt Maß auf das
hölzerne Gerüst.
‘Ein ganz wenig nach links, etwas höher – nein, nicht so viel. Jetzt, ja – genau
richtig! Feuer!’
Die brennende Lunte taucht in das Zündloch. Krachend nimmt die Kugel
ihren Lauf. Alle starren ihr nach, bekreuzigen sich. Getroffen! Unglaublich!
Der Kran drüben zersplittert, fällt in sich zusammen. Jubelnd stürzt der halb-
wüchsige Schütze in des Vaters Arme. Die Umstehenden glotzen verblüfft,
machen einmal mehr das Zeichen des Kreuzes.
‘Heilige Mutter Maria – das Teufelsding ist hin!’
‘Fein gemacht, mein Kind!’ lobt der Geschützmeister. ‘Nun aber ab, wie ich dir
gesagt habe!’
‘Nur noch ein einziges Mal, lieber Vater,’ quält der junge Bengel, ‘bitte, bitte!’
‘Nun gut, Flachskopf – zur Belohnung! Vielleicht lehrt es die Herren, dass mit
uns nicht zu spaßen ist – und sie gewähren uns freien Abzug.’
Er deutet auf die Ansammlung von vornehm Gewappneten auf der Deichkro-
ne. Ihre glitzernden Brustschilde, die Federbüsche auf den Helmen, lassen Per-
sonen von hohem Stand vermuten. Die Landsknechte haben schon wieder
Pulver in den Lauf gestopft und vorsichtig eine Kugel darauf gesetzt. Ganz
ruhig peilt der Knabe das Knäuel gegnerischer Rittersleute an, deren einer im
Vordergrund wild gestikuliert.
‘Jetzt – Feuer!’
Die Wucht des Geschosses reißt Herzog Heinrich von den Beinen. Kopfüber fällt
er zu Boden, schlägt mit dem Gesicht auf unbehauenes, die Deichkrone bede-
ckendes Gestein. Die Hände verkrallt, Arme und Beine leblos, krümmt sich der
Rumpf in grotesken Zuckungen. Um ihn, erst wie vom Donner gerührt, drängen
sich Fürsten und Grafen in heillosem Durcheinander. Der sie vor einem Augen-
blick noch antrieb, voller Leben, herrisch und ungestüm – plötzlich liegt er da, vor
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Vor Leerort