Meter Stoff besorgte, um daraus den notwendigen Ersatz für die verschlissene
Gewandung nähen zu lassen. Aber schließlich hatte der Vater die Bestellung
bewilligt und bei dem Lieferanten auf Rechnung schreiben lassen.
Zu seinem Nachfolger hatte er ihn, den bevorzugten zweiten Sohn, bestimmt.
Aber bis zur Stunde ist diesem nie in den Sinn gekommen, schon so frühzeitig
das Erbe antreten zu müssen. Er ist in keiner Weise darauf vorbereitet, regie-
render Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel zu sein. Schon gar nicht so plötz-
lich und unerwartet.
Vorhin aber ist es ihm klar geworden, da Doktor Römer Herzog Heinrich den
Älteren für tot erklärt, die adligen Gefolgsleute aus der Heimat als erste dem
Verstorbenen ihre Referenz erwiesen, zugleich vor Herzog Heinrich dem Jün-
geren respektvoll das Knie gebeugt hatten, ‘– – sein Andenken zu ehren und
Eurer Durchlaucht geziemend Treue zu schwören!’
Konrad von Steinberg hatte er gebeten, sogleich nach Bremen zu reiten, um
Erzbischof Christoph zu benachrichtigen, des Verblichenen erstgeborenen
Sohn. Der möge unverzüglich nach Leer kommen; nicht nur, um das Totenamt
zu lesen. Vielmehr sei Seiner Gnaden brüderlicher Rat und Beistand dringlich
erwünscht.
In der Nacht, unter freiem Himmel, findet Heinrich nicht in den Schlaf. Zu
viele Gedanken stürmen auf ihn ein. Was wird von ihm erwartet? Wie wird er
Last und Würde des neuen Amtes gerecht, Freund und Feind ebenbürtig, um
respektiert zu werden? Mut muss er zeigen, Entschlossenheit. Dazu ist dieser
Feldzug wie geschaffen. Doch wozu nützt auf Dauer ein Sieg in Friesland?
Dient er der Stärkung des Herzogtums, bringt etwas ein? Schwerlich. Besten-
falls Hoheitsrechte weit jenseits der Grenzen des Stammlandes. Man darf sich
nicht verzetteln. Da gibt es lohnendere Beute ganz in der Nähe.
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23. Juni 1514