Der Heide-Herzog hat offenbar keine Lust, sich dem jüngeren Wolfenbütteler
Vetter unterzuordnen. Überhaupt ist ihm die weitere Teilnahme an diesem
wenig ersprießlichen Unternehmen vergällt.
Auch Erich von Calenberg gedenkt, den Staub des Feldzugs von seinen Stie-
feln zu schütteln. Er schafft sich Gehör mit sanfter Stimme: ‘Dem trefflichen
Vorschlag Seiner Durchlaucht meines Neffen, sei ein Wort hinzu gefügt. Helfen
wir Herzog Georg von Sachsen das Werk seines Vaters Albrecht in Friesland zu
vollenden. Wie jetzt mein seliger Bruder, gab auch jener sein Leben für Kaiser
und Reich in dieser abgelegenen Einöde. Soll der Kaiser sie im Streit um die
Niederlande dem unbotmäßigen Karl von Geldern kampflos überlassen? Darf
dessen Platzhalter, der geächtete Edzard, ungestraft davonkommen? Wir Wel-
fen sind allemal gut beraten, uns das Wohlwollen der kaiserlichen Majestät zu
sichern, den Dank des Hauses Habsburg obendrein. Maximilian ist alt, doch
seinen Erben wird die Welt zu Füßen liegen. Der Reichtum von Burgund, ganz
Spaniens mitsamt den sagenhaften Schätzen an Gold und Silber aus seinen
neuen Besitzungen jenseits der großen Meere.’
Der Weltmann Erich beschreibt mit beiden Händen einen ausladenden Kreis.
‘Da dürfen wir nicht abseits stehen. Mein Platz ist daheim in Münden, am
Wege der kaiserlichen Kuriere nach Brüssel. Dort hält Maximilians Tochter
Margarethe von Österreich alle wichtigen Fäden in ihrer Hand. Die gescheite
Witwe ist Regentin der Niederlande, zugleich Erzieherin ihres Neffen Karl.
Man hört, dass Maximilian diesen Enkelsohn bevorzugt. Mit dem wird zu
rechnen sein, wenn er demnächst seine Volljährigkeit erlangt. Von derlei Nach-
richten rechtzeitig Kunde zu erlangen, gereicht uns allen zum Vorteil. Nun
liegt es auf der Hand, dass auch mein lieber Neffe Heinrich berechtigte Eile
hat, zu Hause in Braunschweig-Wolfenbüttel die Zügel zu ergreifen. Aber –
mit Verlaub, Gevatter Johann – wenigstens einer von uns welfischen Fürsten
sollte bleiben. Schon unserer Ansprüche wegen.’
Dem hat niemand etwas dagegen zu halten. Am wenigsten der Oldenburger.
Ohne einen Herzog von Braunschweig-Lüneburg als Garanten an seiner Seite
wäre das Heer nicht zusammenzuhalten. Auch muss von irgendwo das Geld
kommen. Erichs Freundschaft zu Kaiser Maximilan I. ist bekannt. Wer sonst
könnte seinen Einfluss dort besser geltend machen?
‘Recht hast du, Vetter Erich – wie so oft.’ Heinrich von Lüneburg schlägt hör-
bar die linke Faust in den Handballen seiner Rechten. ‘Aber mein Entschluss
ist gefasst. Ich bin jetzt daheim gefordert.’
Nach einigem Hin und Her einigen sich die Fürsten. Das Los soll entscheiden
zwischen diesem Heinrich und dem Jüngeren. Der hat seine Ungeduld
bezähmt, den gewieften Oheim reden lassen, dessen Vorschläge wortlos abge-
nickt. Er verzieht auch keine Miene, als er das kürzere Ende zieht. Er darf also
bleiben. Der Lüneburger nicht – aber alle in seinem Sold stehenden Lands-
knechte weiter in der Pflicht halten. Auf eigene Kosten. Die Zusage ist ihm von
Erich zuvor abgerungen worden.
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Zu Leer