Wie zu Leer vereinbart, ziehen sie nach Westen, gegen das Groninger Land.
Johann von Oldenburg hat den Oberbefehl stillschweigend an Heinrich den
Jüngeren abgetreten. Der ist klaglos dabei geblieben. Das Los hat es so ent-
schieden. Ein Schachzug des trickreichen Oheims Erich, ganz in beider Sinne.
Mit seinen fünfundzwanzig Lenzen brennt er darauf, sich als wehrhafter Fürst
zu beweisen, des Vaters Tod zu rächen. Vor allem aber als nunmehr mäch-
tigster Welfenherzog eigenen Kriegsruhm zu ernten. Der an Jahren ältere
Lüneburger ist als Rivale ausgeschaltet, zahlt aber weiter. Ohne Geld sind
Glanz und Ehre schwer zu erringen.
Georg von Sachsen ist entzückt, dass man ihm zu Hilfe kommt. Seit zwei
Wochen belagert er das stark befestigte Appingedam, ist dringend auf Unter-
stützung angewiesen. Gerührt schließt der Statthalter des Kaisers Herzog
Heinrich den Jüngeren in seine Arme.
‘Euer Liebden – wie ich mich freue bei aller Wehmut um des seligen Vaters
Heimgang! Doch lassen wir die Förmlichkeiten. Auch wenn wir uns bisher nicht
begegnet sind, bist du allemal Heinze für mich. Mein Neffe, nicht zu vergessen.’
Seine Schwester Katharina ist mit Erich von Calenberg verheiratet. Recht
glücklich, denn der hört auf sein Weib. Am Hofe zu Meißen durchaus bekannt,
hält sie große Stücke auf den jüngeren Heinrich von Wolfenbüttel. Georg von
Sachsen gibt ihr auf Anhieb recht. Heinze kommt nicht nur von stattlicher
Gestalt daher, ein wahrer Riese. Dem Jungen sind Mut und Tatendrang in sein
Gesicht geschrieben!
‘Begleite mich in mein Quartier. Dort ist ein Lager für dich gerichtet. Ein küh-
ler Trunk steht auch bereit. Das Mahl wird nicht lange auf sich warten lassen.
Dieweil können wir uns beraten. Meine Leute werden dem Oldenburger und
euren Junkern zur Hand gehen. Für die Mannschaft und Pferde ist bestens
vorgesorgt. Graf Johann mag hernach zu uns stoßen.’
‘Wohlan, Oheim Georg! Wie denkst du über einen Ritt um die feindlichen Grä-
ben – später, wenn es dunkelt?’
‘Den lassen wir nicht aus! Aber zuvor erkläre ich dir die Eigenart der Befesti-
gungen. Eine harte Nuss zum Knacken. Wir verfügen über sorgfältig kopierte
Skizzen der Erbauer. Zum Glück ist eben alles zu haben für gutes Gold!’
Einen Humpen Bier zur Hand, begutachtet Heinrich die vor ihm ausgebreite-
ten Pläne, stellt wenig Fragen.
‘Scheinbar immer das gleiche Muster, hierzulande,’ stellt er schließlich fest,
‘mögen diese Mauern auch um einiges dicker sein als anderswo. Mit vereinten
Kräften schaffen wir das schon!’
‘Möchte ich meinen – wenn eure achtzehn Geschütze in Stellung gebracht sind,
müssen wir nicht zusehen, bis die Leute da drinnen ihre Ratten vertilgen!’
‘Warum so lange warten? Was hindert uns daran, dies verflixte Appingedam
im Sturm zu nehmen. Gleich morgen?’ Heinrich sieht dem Sachsen tief in die
Augen.
Der schaut verblüfft drein; bemerkt kaum, dass Johann von Oldenburg hinzu
kommt. Will das ins Kraut geschossene Bürschlein ihn nur zum Besten halten?
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Appingedam