Heinrich überschätzt seine Willensstärke, außerhalb des leidigen Ehebetts die
besten Mannesjahre allein dem Staatswohl zu opfern. Plötzlich und ungewollt
entbrennt er in heißer Liebe für ein junges Mädchen. Sie heißt Eva von Trott
und ist die Schwester jenes hessischen Ritters, der vor Gronau für Heinrich
sein Leben geopfert hatte. Der Herzog wollte sich der Trott’schen Familie
dankbar erweisen, als diese durch Vermittlung des Landgrafen um eine Stel-
lung für die Tochter im Hofstaat der Herzogin nachsuchte. Also willigte Hein-
rich ein und Maria war das nur recht.
Bald nachdem die junge Trottin ihren Dienst angetreten hatte, begegnete Hein-
rich ihr zufällig beim Betreten des Korridors zum Gemach seiner Frau. Eigent-
lich wollte er nur ein paar freundliche Worte wechseln, fing beim Anblick des
hübschen Edelfräuleins jedoch auf der Stelle Feuer. Sie macht ihm schöne
Augen. Er sucht ihre Nähe, so oft es ihm möglich ist. Bald zeigt sie sich nicht
abgeneigt, ihn heimlich in ihrer Kammer zu empfangen.
Zeitgenossen urteilen günstig über die neue Hofdame: ein stark, wohlgebild,
gesund jung Mensch, wohlerzogen und züchtig. Letzteres ist sie nicht mehr
lange. Daran ist sie selbst ebenso schuld wie der verliebte Herzog. Die bitteren
Vorwürfe von Maria, der das Verhältnis kaum verborgen bleiben kann, nimmt
Heinrich in Kauf. Was ihm die legitime Gattin nicht zu bieten vermag, findet
er bei der achtzehnjährigen Eva. Unter den wachsamen Augen des ganzen
Hofes beginnen die beiden Liebenden ein dauerhaftes, festes Verhältnis.
Nicht gleich zur Sprache kommt dies bei einem gemeinsamen Besuch seiner
drei wohl versorgten Brüder Christoph, Franz und Georg. Wichtigeres hat
Heinrich mit ihnen zu bereden.
Wie vorauszusehen war, haben die dänischen Stände ihren Herrscher verjagt,
dessen Oheim als König Friedrich I. auf den Thron gehoben. Christian II. ist in
die Niederlande geflüchtet, wo er mitsamt seiner Familie den Habsburger Ver-
wandten zur Last fällt. Der in Spanien weilende Kaiser hat darauf einen Boten
nach Wolfenbüttel abfertigen lassen. Die Bitte Karls V. sich für seines Schwa-
gers Rechte einzusetzen, ist Heinrich willkommen. Gibt sie ihm doch Gelegen-
heit, sich in den Vordergrund zu schieben. Auch fühlt er sich dem Flüchtigen
für dessen frühere Hilfe verpflichtet.
Aber kann er deswegen sein Land verlassen? Wilhelm ist wieder da. Spitzeln-
de Diener wollen bemerkt haben, wie er heimlich Boten empfängt und versie-
gelte Briefe. Heinrich enthüllt den angereisten Brüdern, was er in Erfahrung
brachte: Wilhelm hat vom Herzog von Holstein ein Jahrgeld angenommen
und ihm seine Unterstützung zugesagt; keinem anderen als jenem Friedrich
von Holstein, der sich des Dänenthrons bemächtigt hat! Auch für Wilhelms
Absicht, in Heinrichs Abwesenheit die Regierung in Wolfenbüttel an sich zu
reißen, gibt es genügend Anhaltspunkte.
Christoph, Franz und Georg sind entsetzt. Haben sie selbst sich dafür mit geist-
lichen Pfründen zufrieden gegeben? Sogleich sichern sie Heinrich zu, ein für alle
Male allen Ansprüche auf das Fürstentum zu entsagen und dies vertraglich zu
besiegeln – gegen ein namhaftes Jahrgeld, wohl verstanden. Heinrich dankt ihnen.
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Prozesse, Aufstände, Bünde, Zerwürfnisse und Herzensangelegenheiten