‘Sprecht ihr mit Wilhelm,’ bittet er sie. ‘Macht ihm klar, dass wir seinen Unge-
horsam nicht dulden. Während meiner Abwesenheit darf er Wolfenbüttel
nicht verlassen, steht hier unter Arrest. Fragt ihn, was es mit den Gerüchten
auf sich habe und weist ihn zurecht. Ich will den Hundsfott nicht mehr sehen!’
Christoph und Georg suchen Wilhelm in seiner Kammer auf. Der junge Mann
empfängt sie trotzig. Er weiß, um was es geht.
‘Unsere Mutter wollte mich mit einer Tochter des Herzogs von Lüneburg ver-
mählen und uns einen Teil Calenbergs übertragen. Das hat sie mir in einem
ihrer Briefe vorgeschlagen, die mir meine Gefangenschaft versüßen sollten.
Was ist daraus geworden? Zu keiner Zeit habe ich auf die Mitwirkung an der
Regierung verzichtet, die vereinbart worden war. Ihr habt mich im Kerker
schmoren lassen und geht jetzt Heinze um den Bart, der mir meine Rechte
streitig macht. Sagt ihm, weil die Ungunst zwischen uns nur Verdruss, Miss-
mut und Unfreundlichkeit zuwege gebracht hat, fordere ich Teilung oder
unverkürzte Gesamtregierung – wie sie mir zusteht. Ist er nicht willens, so hei-
rate ich die Tochter des Königs von Dänemark und lehre ihn dann das Fürch-
ten.’
Die Katze ist aus dem Sack!
‘So ist es wahr, was man über deine verschwörerischen Umtriebe hört?’ forscht
Christoph mit unverhohlenem Groll.
Wilhelm presst die Lippen aufeinander. Dumm, dass er sich nicht beherrschen
konnte. Besser hätte er zu den Vorwürfen geschwiegen. Jetzt lässt Christoph
keinen Zweifel, dass er und die übrigen Brüder Heinrichs harte Haltung billi-
gen.
‘Du wirst Wolfenbüttel nicht verlassen dürfen,’ macht ihm Georg klar, ‘solange
Heinze von hier fort ist. Das lässt er dir ausrichten, Willi! Hast du etwas zu
erwidern?’
Wilhelm verzieht das Gesicht zu einer hässlichen Grimasse.
‘Wenn ich auf meinem besten und tauglichsten Hengst sitze, will ich ihm
meine Zuversicht schon sagen,’ geifert er, ‘diesem Jungfernschänder und Ehe-
brecher!’
Grußlos verlassen die beiden geistlichen Herren ihren störrischen Bruder, ohne
nach dem Sinn seiner Andeutungen zu fragen. Nachgiebigkeit werden sie dem
Heinze nicht anraten. Dieser fackelt nicht lange, lässt Wilhelm einsperren, was
er im Beisein von Christoph und Georg vor den eilig zusammengerufenen
Landständen rechtfertigt. Deren Vertreter sehen ein, dass Herzog Wilhelm mit
seinen gefährlichen Umtrieben den Landesfrieden gefährdet und deshalb bis
zur Rückkehr des regierenden Herzogs in Haft bleiben muss.
An benachbarte Fürstenhöfe ergeht ein Schreiben. Darin zeigt Herzog Hein-
rich der Jüngere an, diese Maßnahme auf Beschluss der Söhne Heinrichs des
Älteren getroffen zu haben; zur Wahrung des Familienansehens und zum
Wohl des welfischen Erbes.
Dem hat auch Erich von Calenberg nichts entgegenzusetzen, der an Stelle sei-
nes Neffen am 23. August 1523 in Köln mit dem Kurfürsten von Brandenburg
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1523 bis 1535