Seite 49 - Herzog_Heinrich

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Nach ihrem blutigen Strafgericht auf dem Marktplatz von Frankenhausen rei-
ten die Fürsten auf Seebach, wo sie dem Ritter Hans von Berlepsch zu seinem
Recht verhelfen. Von da geht es weiter. In Schlotheim stoßen Truppen aus
Sachsen zu ihnen. Sie bringen die Nachricht, dass Kurfürst Friedrich der Weise
am 5. Mai gestorben ist. Sein Bruder Johann, der neue Kurfürst, trifft mit sei-
nem Sohn Johann Friedrich am folgenden Tag im Lager ein. Mit ihnen kom-
men auch Philipp von Grubenhagen und Otto von Lüneburg. Heinrichs Freu-
de über diesen Zuwachs an Verbündeten hält sich in Grenzen, als er ein
Gespräch seines jungen Lüneburger Vetters mit dem neuen sächsischen Kur-
fürsten belauscht. Der vertritt das Luthertum. Warum muss der Herzog Ernst
den Beschützer des Ketzers um Rat angehen? Will etwa die Verwandtschaft in
Celle ihr Land dem Unglauben preisgeben?
Einstweilen des gemeinen Vorteils wegen einig, langen die Fürsten am 21. Mai
vor Mühlhausen an. Sie fordern Übergabe. Die Bürgerschaft ist schlau genug,
sich mit 4.000 Gulden freizukaufen. Der ‘Mittelpunkt des Gottesreiches’ wird
zu dessen Grab. Täglich finden Hinrichtungen statt. Am 26. Mai wird Thomas
Münzer herbei geschafft. Völlig zusammengebrochen, nimmt er das Abend-
mahl nach katholischem Ritus. An der Richtstätte zittert er vor Todesangst am
ganzen Leib, nicht imstande, das Credo zu beten.
Herzog Heinrich tritt an ihn heran, spricht dem Sünder mit lauter Stimme die
Glaubenssätze vor. Mit bebender Stimme wiederholt sie Münzer. Das macht gro-
ßen Eindruck auf die Umstehenden – wie Fürsten, so Adel und Volk. Gleich dar-
auf werden Münzer und sein nächster Helfer, der Mönch Pfeiffer, enthauptet.
‘Da seht ihr, was der Luther angerichtet hat,’ wettert Heinrich beim abend-
lichen Gelage. ‘Mit seinen Aufrufen zum Ungehorsam den Pöbel auf uns
gehetzt – –‘
‘Nicht doch,’ wendet Kurfürst Johann ein, ‘Doktor Martinus verabscheut die
aufständischen Bauern, steht ganz auf unserer Seite. Wir haben ihn von der
Wartburg nach Wittenberg zurückgerufen, damit er dort Ordnung schafft
unter einigen Predigern, die seine Lehre auf Abwege führen. Er bereitet eine
wichtige Flugschrift vor:
Wider die Reübischen und Mördischen rotten der Bawren
.’
‘Der Ketzer in Acht und Bann, ich bitt euch,’ poltert Heinrich, ‘ein Heuchler
obendrein! Er gehört auf den Scheiterhaufen! Dieser Erzfeind von Kaiser und
Reich und will uns Fürsten doch nur an den Kragen!’
Er sieht sich am Tisch nach Beifall um. Doch den spendet mit lebhaftem Kopf-
nicken nur Georg der Bärtige. Andere Freunde schweigen, auch der Landgraf.
‘Dem kann ich nicht zustimmen, Euer Liebden,’ entgegnet Kurfürst Johann
mit mildem Lächeln, ‘Doktor Martinus wehrt den Exzessen der Kurie, reinigt
die Kirche von giftigen Schlacken. Der Allmacht Roms bestreitet er das Recht –
nicht dem Ansehen unseres Kaisers. Der weltlichen Obrigkeit gebührt ziviler
Gehorsam auch von den Geistlichen, predigt er; will unsere Machtbefugnisse
nicht eingeschränkt wissen – ganz im Gegenteil!’
Heinrich traut dem Braten nicht. Doch er nimmt sich zusammen, dämpft sei-
nen Ton.
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