Seite 51 - Herzog_Heinrich

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XI
Der Streit mit Goslar um den Rammelsberg –
1526 bis 1528
Das Streben nach reichlich bestückten Schatztruhen ist kein Privileg städti-
scher Krämerseelen. Auch weitsichtigen, auf Macht und Ansehen erpichten
Fürsten steht es wohl an, für volle Staatssäckel Sorge zu tragen.
Warum wohl öffnen andere Landesherren Tür und Tor dem Luthertum? Kön-
nen sie sich dadurch nicht bequem schadlos halten an anderer Leute Eigen-
tum, aus eingezogenen Klöstern und Regalien Geld in ihren Kassen klingeln
lassen, ihre Macht mehren zu Lasten von Kurie und Kaiser, die eigene Unab-
hängigkeit stärken?
So jedenfalls deutet Heinrich der Jüngere den schnöden Glaubenswechsel
mancher seiner Standesbrüder – und ein wenig Neid mag dabei mitspielen.
Doch um allen Reichtum dieser Welt kommt ihm ein solcher Schritt gar nicht
erst in den Sinn – die Gewissensfrage hin oder her. Der Tradition verpflichtet
und dem Kaiser ergeben, hat sich seine altgläubige Standhaftigkeit bisher
bezahlt gemacht. Der Vorteil aus seinem Erfolg in der Hildesheimer Stiftsfeh-
de, schlaue und beharrliche Umtriebe zur langsamen Erholung des Staats-
haushaltes, haben ihm erst einmal aus der Armutsfalle verholfen. Aber viel
mehr ist aus dem agrarisch strukturierten Land nicht heraus zu holen und
noch drücken die ererbten Schulden.
Sein Kanzler Conrad König, als Syndikus der vom Fernhandel reich geworde-
nen Stadt Braunschweig einschlägig bewandert, hat ein Denken in ihm
geschärft, das spätere Generationen als ‘frühkapitalistisch’ bezeichnen wür-
den. Nicht auf den Preis der Einlösung verbriefter Rechte an Ländereien
kommt es an, sondern auf den nachhaltigen Ertragswert ihrer Bodenschätze.
Mit Gruben und Hütten zu Reichtum zu gelangen, haben in Tirol und anders-
wo die Fugger vorgemacht.
In Wolfenbüttel wird man es den Augsburger Kaufherren gleichtun. Der
Reichsvizekanzler Held hat Wort gehalten. Aus Spanien sind persönliche Man-
date des Reichsoberhauptes ergangen, die in wohltuendem Gegensatz zu
denen des Reichsregiments vom Vorjahr stehen. Mit dem erklärten Ziel der
Wahrung des Landfriedens hatten die Reichskommissare dem Herzog aufer-
legt, die Rechte der Reichsstadt Goslar an den außerhalb ihrer Mauern gelege-
nen Forsten und Gruben, insbesondere dem Rammelsberg, anzuerkennen. Das
von Matthias Held verfasste, an den Rat von Goslar gerichtete Dekret des Kai-
sers dreht nun den Spieß um. Die Reichsstadt wird angewiesen – wiederum
zur Wahrung des Landfriedens – den Wunsch des Herzogs zu respektieren,
den Rammelsberg auszulösen. Wenn sie dessen Berechtigung in Zweifel zöge,
sollte sie ihre Beweise ‘neutralen’ Vermittlern vorlegen. Als solche benennt ein