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Vom Augsburger Interim bis zur Schlacht von
Sievershausen – 1548 bis 1553
Bald nach seiner Ankunft muss der Herzog freilich feststellen, dass die Stim-
mung in Augsburg nicht so gut ist, wie er erwartet hatte. Statt der offenen und
verbindlichen Art, mit der König Ferdinand früher die Versammlung der
Reichsstände zu leiten pflegte, geizt der Kaiser in seiner spanischen Würde mit
Worten, verteilt Gnade und Ungnade nach eigenem Gutdünken. Jetzt, nach
seinem Sieg über den Schmalkaldischen Bund, kehrt er kalt und unnahbar die
Majestät heraus. Ganz Deutschland will er seinen Willen aufzwingen! So hört
Heinrich von vielen, die er aufsucht, um alte Freundschaften zu pflegen, neue
anzuknüpfen. Manche Fürsten begegnen ihm mit Misstrauen, weil er im Rufe
eines kaiserlichen Günstlings steht.
Der Bayernherzog Wilhelm wird erst gesprächig, als Heinrich – unter dem Sie-
gel der Verschwiegenheit – seine vertrauliche Unterredung mit dem Kaiser in
Halle ausplaudert.
‘Da habt ihr recht getan, Liebden, und ich danke euch! Dass Karl nur sein eige-
nes Süppchen kocht und uns Bayern leer ausgehen lässt, trotz aller festen
Zusagen, ist sein schwerster Fehler. Er wird ihn noch bitter bereuen! Sind wir
nicht katholisch und der mächtigste Reichsstand? Wenn man Moritz die Kur-
würde zugesteht, gebührt sie uns allemal. Ich sage euch, Liebden, und mache
keinen Hehl daraus – die Habsburger können mich mal!’
Grobe Worte des vergrätzten Bayern – doch durchaus berechtigt, findet Hein-
rich. Hätte der Kaiser besser auf ihn gehört, statt nur an seine eigene Haus-
macht zu denken – und ans Völlern!
Selbst Kurfürst Moritz spart nicht mit Kritik: ‘Noch mag die Christenheit vom
Glanz der kaiserlichen Sonne geblendet scheinen,’ unkt der im Gegensatz zum
bayerischen Wittelsbacher reichlich bedachte sächsische Albertiner süffisant,
‘doch der Boden ist brüchig, auf dem Seine Kaiserliche Majestät als allmächti-
ger Weltherrscher zu wandeln geruht!’
Lang und breit schildert er die Lage aus seiner Sicht, lässt dabei kein gutes
Haar an Karl V. Weil die Kurie eine endgültige Lösung des Religionsproblems
durch ein wahrhaft allgemeines Konzil hintertreibt, soll nach des Kaisers
Wunsch und Willen nun ein Interim herhalten. Um diese kaiserliche
Zwischenreligion – wie Moritz es sarkastisch abtut – den Protestanten
schmackhaft zu machen, hat er ihnen einige Zugeständnisse bei Laienkelch
und Priesterehe gemacht, nicht aber in zentralen Glaubensfragen. Damit setzt
er sich zwischen alle Stühle. Wenn er meint, die protestantischen Stände über-
all politisch und kirchlich entmachtet zu haben, irrt er gewaltig. Da mag Karl
gegenwärtig vielleicht in Süddeutschland schalten und walten können, wie es