Seite 77 - Herzog_Heinrich

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Schmalkaldischen Bundes die protestantischen Stände eindringlich um
Wiedereinsetzung des Herzogs Heinrich in sein Fürstentum zu ersuchen. Bis
dahin müsste er Liebden leider vertrösten.
Heinrich gibt ihnen das Gleiche zur Antwort, was er jüngst dem Statthalter
von Schenk in Kassel gesagt hatte. Dann bekräftigt er sein Vertrauen in ihren
Fürsten. Dieser werde sicher nicht dulden – gibt er den Räten zu verstehen –
dass man sich an seinem Eigentum vergreift, die Wibrechtshausener Ab-
machungen missachtet. Da müsse noch vor November etwas geschehen! Man
könne ihn doch nicht ein Vierteljahr hier untätig sitzen lassen!
Die Hofräte nehmen es zur Kenntnis, lassen ihre Niederschrift über die Unter-
redung gegenzeichnen und nehmen unter höflichen Verneigungen Abschied.
Dem Protokoll fügt Heinrich noch ein Handschreiben an Moritz hinzu – auf
seine Frage, was aus seinem Heer geworden sei, habe er nur zur Antwort
erhalten, die Knechte hätten sich verlaufen. Er sei indes gewiss, dass der Land-
graf trotz des zugesagten Waffenstillstandes angegriffen und die Verunsicher-
ten gewaltsam auseinander getrieben hätte; was ihm verschwiegen worden
sei, könne er nur ahnen – dass die hessischen und kursächsischen Truppen
weiter marschiert sind, sein Herzogtum wieder unter Schmalkaldische Ver-
waltung gebracht haben und es all denen schlecht ergangen ist, die ihn unter-
stützt hatten.
Wochen vergehen. Der joviale Festungskommandant und sein gleichermaßen
umgänglicher Stellvertreter lassen sich schon mal zu einem Würfelspiel verlei-
ten. Doch wenn Heinrich sie fragt, was draußen in der Welt vorginge, schüttelt
der eine wie der andere bedauernd den Kopf. Bei empfindlicher Strafe sei
ihnen untersagt, mit dem Gefangenen über anderes zu sprechen als sein leibli-
ches Wohl. Doch für einmal setzen sie sich darüber hinweg. Zu später Stunde
treten sie ein, verriegeln geheimnisvoll die Tür und übergeben dem Gefange-
nen ein mehrfach gefaltetes Stück Papier – mit der Maßgabe, es vor ihren
Augen zu glätten und sofort nach Kenntnisnahme des Inhaltes dem Kamin-
feuer zu überantworten. Es ist eine undatierte, an niemanden gerichtete Notiz
in wenigen Stichworten. Heinrich erkennt sofort die Handschrift seines Kanz-
lers: P. habe einen erlogenen, falschen Bericht an SMdK geschickt mit der Auf-
forderung, über den HvW die Acht zu erklären. Alle Vorhaltungen von M.
schlüge P. in den Wind. Jeder versuchte, sich rein zu waschen. Von dem im
Herbst zusammengetretenen Konzil der Kleriker sei nichts zu erhoffen –
soweit der Text.
Heinrich weiß sofort, wer gemeint ist. Er tut, wie ihm geheißen und dankt sei-
nen Bewachern für das eingegangene Wagnis. Was immer sie dafür erhalten
haben mochten, bleibt ihm vorenthalten. Bald ebenso die Frage, ob sie ertappt
worden sind. Jedenfalls werden beide binnen weniger Tage von ihren Posten
abgelöst.
Niemand darf mehr zu dem Gefangenen, außer ebenfalls neuen Dienern.
Diese versuchen, ihn zu kränken, erteilen nur noch selten die Erlaubnis, im
streng überwachten Hof spazieren zu gehen. Die Fenster seines Gemachs wer-
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1545 bis 1547