Seite 105 - Kirchenbuch

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Längsschn i t ta r t i ke l : Amtshandl ungen
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Aus der altkirchlichen, unmittelbar nach der Taufe vorgenomme-
nen Salbung mit geweihtem Öl zum Zwecke der Geistverleihung
entwickelte sich im Mittelalter die von der Taufe durch Jahre ge-
trennte sakramentale Firmung, die der Bischof durch Handaufle-
gung an den Herangewachsenen vollzog. Sie bedeutete das nun-
mehr mündige Bekenntnis zur eigenen Taufe mit voller
Zugehörigkeit zur Gemeinde und die Zulassung zur Eucharistie.
Die Reformatoren haben sich in entschiedener Abgrenzung
gegen das Täufertum für die Beibehaltung der Kindertaufe als
Ausdruck der voraussetzungslosen göttlichen Gnade eingesetzt
und die Glaubenstaufe als Werkgerechtigkeit nicht nur verwor-
fen, sondern bekämpft. Luther legte in der 2. Auflage seines Tauf-
büchleins (1526) eine aus dem mittelalterlichen Ritus entwickel-
te evangelische Taufliturgie in
deutscher Sprache vor.
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Deren
Eckpunkte sind mit geringfügi-
gen Veränderungen bis heute
gültig. Johannes Bugenhagen
eröffnete die Stadtbraun-
schweiger Kirchenordnung
1528 mit einer ausführlichen
Belehrung über die Taufe, um
zum einen die täuferische
Glaubenstaufe vom Evange-
lium her zu widerlegen, zum
anderen die christliche Erzie-
hung als Einlösung des Tauf-
versprechens durch Eltern, Pa-
ten und Gemeinde einzuschär-
fen. Dazu bedarf es zuallererst
einer deutschen Taufliturgie.
Bugenhagen beschreibt ihre
einzelnen Akte, nicht ohne
sich von den mittelalterlichen
Salbungen zu verabschieden,
er verzichtet aber darauf, den
Agendenwortlaut abzudru-
cken. Vermutlich setzt er den
Gebrauch von Luthers Tauf-
büchlein voraus. Lediglich im
Abb. 3:
Bugenhagen,
Johannes, „Von Paten
oder Gefattern“
(Abschnitt aus
Bugenhagens Schrift
„Von den
ungeborenen Kindern
[...] und von der
Taufe“, 1557),
Foto: Jutta Brüdern