Seite 140 - Kirchenbuch

Basic HTML-Version

776
K l aus Renner
In der Überbetonung des Sinn-
haften und der Anbetung von
Bildern sehen die Reformato-
ren Gefahren für den wahren
Glauben.
2
Für sie steht allein
das Wort Gottes im Mittel-
punkt. Die Verurteilung der
Bilderverehrung als Götzen-
dienst löst 1522 den ersten „Bil-
dersturm” in Wittenberg durch
Johannes Carlstadt, (eigent-
lich Johann Drach (um 1494 bis
1566)) den Vorkämpfer der Re-
formation, aus. Martin Luther
aber vollzieht den Bruch mit
der Frömmigkeit der mittelalter-
lichen Kirche nicht vollständig.
Nach ihm ist das Bilderverbot
Gottes für die Israeliten nicht
auch auf die christliche Kirche
anzuwenden. Das Schaffen
und Besitzen von Bildern ist
zulässig, nur durch ihre Anbe-
tung wird nach seiner Auffassung das menschliche Herz von Gott
abgelenkt. Auch kann das Stiften von Bildern nicht als ein gutes
Werk angesehen werden. Durch die Auseinandersetzung mit den
Bilderstürmern wird Martin Luther aber – wohl auch aus
seelsorger­lichen Gründen – zu einem positiven Umgang mit den
Bildern bewegt, wenn er in seiner Auslegung zum 101. Psalm be-
grüßt, dass „Gottes Wort mit Predigen, Singen, Sagen, Schreiben,
Malen verbreitet wird“. Die wichtigste Darstellung wird für ihn
das Bild des Gekreuzigten. Diese Botschaft hat dazu geführt,
dass in Braunschweiger Landen die Weiterverwendung der
katholischen Kirchengebäude für die jungen evangelischen
Gemeinden nicht von Bilderstürmerei begleitet ist. Beseitigt
werden vorwiegend die Nebenaltäre für die Heiligenanbetung.
Die Kirchenordnungen im Herzogtum Braunschweig enthalten
keine Bilderfeindlichkeit. So bleiben viele mittelalterliche Kunst-
werke erhalten und beflügeln in den Jahrhunderten nach der Re-
formation das künstlerische Schaffen im Dienst der Glaubens-
aussagen.
Abb. 1:
Triumphkreuz in der
Kirche Evessen
(gotische Ranken-
malerei im Chor mit
einem Zyklus der
10 Gebote und dem
Jüngsten Gericht),
Foto: Jutta Brüdern