Juden und di e braunschwe i g i sche Landesk i rche im Mi t te l a l ter
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ZUM VERHÄLTNIS VON
JUDEN UND CHRISTEN IN DER
BRAUNSCHWE IGISCHEN L ANDESK IRCHE
von Hans-Jürgen Engel k ing und Chr istel Kiel
JUDEN IM MI TTELALTER
Das Verhältnis zwischen Juden und Christen in Braunschweig ist
Teil der wechselvollen deutsch-jüdischen Geschichte, die durch
Unterdrückung und Emanzipation der jüdischen Minderheit, ihre
grausame Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus
und den Wiederbeginn jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutsch-
land geprägt ist.
Nach den missglückten Aufständen der Juden gegen die Römer
im ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus begann das Le-
ben der Juden in der Diaspora. Bis zum Beginn der Kreuzzüge
lebten sie in Europa zwar als Fremde aber relativ friedlich und
unbehelligt unter den Christen. Die gegen alle Nichtchristen ge-
richtete Kreuzzugsstimmung verschärfte den religiösen Gegen-
satz zu den Juden. Galten diese vorher als „unfreiwillige Zeugen
für die Wahrheit des christlichen Glaubens, so wurden sie mit
dem ausgehenden Mittelalter zunehmend zu Feinden und Verrä-
tern der christlichen Religion, zu Mördern Christi, zu Marien-
schändern und zu Bundesgenossen des Teufels.“
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Die theologi-
schen Differenzen um das monotheistische Glaubensverständnis
mündeten in einen christlichen Antijudaismus, der die gesell-
schaftliche und rechtliche Diskriminierung der Juden in Mittelal-
ter und Neuzeit legitimierte. Immer wieder kam es in politischen
und wirtschaftlichen Krisenzeiten zu Pogromen und Vertreibun-
gen, wurden die Juden zu Sündenböcken sozialer und politi-
scher Probleme abgestempelt, so in Braunschweig 1347-1351
während der großen Pest, als man ihnen „Brunnenvergiftung“
vorwarf, sie 1437 des Ritualmordes beschuldigte oder 1510 den
Verdacht des Hostienfrevels erhob.
Als folgenschwer erwies sich die 1235 durch Kaiser Friedrich II.
(1194-1250) betriebene Rezeption der im kanonischen Recht der
Kirche festgelegten Grundsätze für den Umgang mit der jüdischen
Abb. 1:
Kaiser Friedrich II.
(1194-1250), Litho-
grafie, Fotonachweis:
ullstein bild – Imagno,
Nr. 00804168