Seite 40 - Kirchenbuch

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Re i nha r t Staats
tur wirkte sich voll aus in der Neuzeit. Waren bis dahin Schulen und Wissenschaften
Angelegenheiten der Klöster, so fortan der Pfarreien und der Städte. Der seit 1293/1307
in Braunschweig ansässige Bettelorden der Dominikaner hatte Kloster und Kirche
dem Apostel Paulus geweiht (nahe bei der Burg Dankwarderode). Ihr Förderer war
Herzog Albrecht II., ein älterer Bruder des schon genannten Hochmeisters des Deut-
schen Ordens „Luther“. Der Herzog wollte mit Hilfe der Dominikaner eine Verbindung
zwischen seiner Herrschaft und den Stadtbürgern herstellen. Neben Predigt und Seel-
sorge betreuten diese „Predigerbrüder“ auch die Schule an St. Katharinen. Die Biblio-
thek der Braunschweiger Dominikaner und auch ihre eigene Buchproduktion waren
von überregionaler Bedeutung.
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Noch eine andere, in die Zukunft weisende Einrich-
tung sei genannt: Schon vor 1400 besaß auch die Braunschweiger St. Andreaskirche
eine Bibliothek. Sie erhielt im Auftrag des Pfarrers Johannes Embern (um 1365 bis ver-
mutlich 1423) ein eigenes Gebäude. Diese noch heute stehende „Liberei“ diente au-
ßer den Theologen auch „allen sonstigen ehrwürdigen Personen“ zum Lesen und Stu-
dieren. So gehört diese kleine feine
Libroria Andreana
auch an den Anfang eines
öffentlichen Bibliothekswesens in Deutschland.
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DER BRAUNSCHWEIGER „PAPENKRIEG“
Der „Papenkrieg“ war eine siebenjährige Fehde zwischen den drei alten Stiften St. Bla-
sii, St. Cyriaci, dem Ägidienkloster und dem Rat der Stadt Braunschweig (1413-1420). Er
entzündete sich an einer Neubesetzung der Pfarrstelle von St. Ulrici.
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Zwei Kandida-
ten, beide von St. Blasii, bewarben sich nicht nur, sondern stritten öffentlich gegenein-
ander um dieses Amt. Der vom Blasiusstift eingesetzte Johann Monstede hatte tatsäch-
lich ein schlechtes Ansehen, weil er die Versorgung der Parochie sofort einemAnderen
übertragen hatte. Das war ein damals verbreiteter und die Gemeinden verärgernder
Pfründenschacher. Weil der gegen diesen Missstand vorgeschlagene Kandidat Hein-
rich Herbodes, trotz seiner Herkunft vom selben Blasiusstift, von diesem nicht an-
erkannt wurde, appellierten Monstede und Herbodes an das päpstliche Gericht in
Rom, welches zugunsten von Herbodes entschied. Herbodes war in seiner Opposition
gegen die alten Stifte natürlich vom Rat der Stadt unterstützt worden. Denn der Rat
konnte mit seiner Unterstützung Herbodes gegen die alten Stifte auch ein sehr eigenes
Ziel verfolgen, nämlich die Aufsicht über das lateinische Schulwesen. Auch deshalb
verweigerte das Blasiusstift die Herausgabe der Schlüssel von St. Ulrici und suchte Hil-
fe beim Bischof von Hildesheim. Dieser betraute den Pfarrer Johannes Embern von
St. Andreas mit der Pfarrei St. Ulrici, der damit natürlich die Interessen der drei Stifte
vertrat. Dagegen ersuchte und erhielt der Rat der Stadt die Unterstützung vom Erzbis-
tum Mainz, das ja kirchenrechtlich über Hildesheim stand. Und es wurde wirklich von
höchster Stelle in Rom der Bann über die Stifte St. Blasii und Cyriaci und den Pfarrer
Embern verhängt. Das hieß, dass in den Stiften und den von ihnen abhängigen Kir-