Seite 60 - Kirchenbuch

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Di et r i ch Kuessner
Wortes Gottes bei allen Christen in der Welt zu erhalten. Der Dreiklang Kriegsmacht –
Friede – Wahrheit schürte keine Kriegsbereitschaft oder gar Kriegsbegeisterung. Aber
die Kriegsmacht unter Gottes Schutz zu glauben, schuf das beruhigende Gefühl von
Sicherheit und Unbesiegbarkeit. Liturgisch gesehen war die Gemeinde auf den Ernst-
fall vorbereitet.
„Walte mit Deiner allmächtigen Gnade über dem deutschen Kaiser, über dem Regen-
ten unseres Landes
so auch über allen, die Du Deinen Völkern auf Erden zu Obrigkeiten gegeben hast.
Segne unser
gesamtes deutsches Vaterland und beschütze seine Kriegsmacht zu Wasser und zu
Lande. Erhalte die
ganze Christenheit bei der Wahrheit Deines Wortes und beim lieben Frieden.“
Aus der Allgemeinen sonntäglichen Fürbitte nach der Gottesdienstordnung 1895
Das Bild vom Kriegsbeginn im August 1914 war von Anfang an und ist teilweise immer
noch bestimmt von der Propaganda der damaligen Berliner Zensurbehörde, die von
einer gewaltigen Kriegsbegeisterung im August 1914 sprach, um dem feindlichen Aus-
land zu imponieren.
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Es gab bei der Mehrheit im Braunschweiger Land im Sommer 1914
keine „Augustbegeisterung“.
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Eine kleine, bürgerliche Schicht hatte zwar den lange be-
vorstehenden Krieg für notwendig und wünschenswert gehalten. Friedrich v. Bernhards
Buch „Deutschland und der nächste Krieg“ von 1912 repräsentierte diese Gruppe. Aber
als auf dem Schlossplatz im Braunschweig am Sonntag, dem 2. August 1914 die Kriegs-
erklärung verlesen wurde, herrschte betroffenes Schweigen, viele Frauen weinten, und
auf dem Marktplätzen von Helmstedt und Holzminden sang die Menge zum Abschied
der Soldaten „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt“.
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Die nüchtern kalku-
lierende Landbevölkerung konnte nur Nachteiliges registrieren. Die eingezogenen Söh-
ne und Väter sowie die beschlagnahmten Pferde fehlten beim Einbringen der bevorste-
henden Ernte. Die Jahrhunderte lange Erfahrung von Krieg, Hunger und Teuerung hatte
Urängste und das Gefühl der Hilflosigkeit im Bewusstsein der ländlichen Bevölkerung
abgelagert, die durch die Kriegerklärung wieder geweckt wurden. An diese Bewusst-
seinsschichten rührten auch die zahlreichen Gottesdienste, die die Pfarrer in Stadt und
Land für die eingezogenen Männer spontan organisierten. Die seltene Situation, dass
der Sohn mit den Eltern zum Abendmahl ging, weckte beklommene Erinnerungen an
den Tod Jesu und an den möglichen bevorstehenden Tod von Vater oder Sohn in der
Fremde an der Front. Wenige Tage später fanden die vom Kaiser in Berlin und vom Her-
zog in Braunschweig angesetzten Bußgottesdienste statt. Buße war nach dem bibli-
schen Vorbild des gerechten Krieges notwendig, um, wie man glaubte, das Schwert und
die Gesinnung des Kriegers rein zu halten. In der Gebetsempfehlung des Konsistoriums
für den Bußtaggottesdienst am 7. August lag der Ton auf der Not des Krieges. Der Kriegs-
ausbruch wurde als Heimsuchung gedeutet und nicht als Glücksfall, als Verhängnis der