Von Predi gten und Predi ger n
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griffen die vorreformatorischen Prediger zu Schwänken und Fabeln. Heinrich Lampe
(1503-1583), einer der ersten evangelischen Prediger in Braunschweig erzählt davon.
So habe ein Prädikant zu St. Andreas, Svigbert mit Namen, der schrecklich schreien
konnte, in einer Osterpredigt die Fabel erzählt, wie Christus mit der Siegesfahne vor
der Hölle erschienen sei, um diese zu bestürmen, die Teufel aber eiligst versucht hät-
ten, die Tür zu verriegeln. Weil aber ein Riegel nicht so schnell vorhanden war, habe
einer der Teufel seine lange Nase dazu benutzt. Als Christus aber die Tür dennoch mit
Macht öffnete und dabei dem Teufel die Nase kürzte, „habe der Teufel über solche
Schmertzen greulicher massen geschrien: Jodeto, Jodeto;
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welche Worte dieser Svig-
bertus mit so starker entsetzlicher Stimme ausgeruffen, daß die Zuhörer davon aufge-
wachet und gezittert und gebebet.“
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Dementsprechend fiel das Urteil Bugenhagens über die vorlutherische Predigt in sei-
ner Braunschweiger Kirchenordnung von 1528 hart aus: „Quackelpredigere hebbe wy
genöch gehat.“
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Die Reformation rückte die Predigt in das Zentrum von Kirche und Gottesdienst. Be-
zeichnend dafür war, dass Bugenhagens Kirchenordnung keine Pfarrer oder Pfarrher-
ren mehr kannte, sondern nur noch Prediger.
Ziel der Predigt war, das Wort Gottes, das Evangelium, den Menschen zu verkündi-
gen. Dazu gehörten als Novum die Katechismusgottesdienste, die am Sonntag in der
Frühe in den Hauptkirchen, aber auch in der Woche zu halten waren. In ihnen sollten
die Gebote, der Glaube, das Gebet und der rechte Gebrauch der Sakramente Taufe
und Abendmahl sowohl für die Gemeindemitglieder wie besonders auch für die Ju-
gend gelehrt werden. In der Frühmesse wurde in allen Kirchen über die Evangelien
und in je drei Kirchen des Mittags über die Epistel gepredigt. Dazu kamen am Nach-
mittag Predigten vom Superintendenten und Koadjutor. In der Woche sollten in den
sechs Hauptkirchen, in drei davon jeweils am Montag, Mittwoch und Freitag und in
den anderen drei jeweils am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, über das
Matthäus- und das Lukas-Evangelium gepredigt werden, während der Superintendent
über das Johannes-Evangelium und der Koadjutor über die Paulusbriefe zu predigen
hatte.
Johannes Bugenhagen, dessen Predigten in Braunschweig einen großen Zulauf hat-
ten, gehörte zu den herausragenden Predigern seiner Zeit. Über seine im Jahr 1528 in
Braunschweig gehaltenen Predigten sind Notizen erhalten. So können wir uns ein ge-
wisses Bild machen. Er geht in diesen Predigten
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jedes Mal von den altkirchlichen
Evangeliumslesungen der einzelnen Sonn- und Festtage aus und macht damit sowohl
den unbedingten biblischen Bezug seiner Verkündigung wie auch das Festhalten an
guter kirchlicher Tradition deutlich.