Seite 13 - Lebenswege

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Wie ich dazu kam, die Spuren der Familie Mielziner zu suchen
Dass ich diese Geschichte zu weiten Teilen rekonstruieren konnte, begann so:
1995 erschien die deutsche Ausgabe einer wichtigen und spannenden
Dokumentation von Hedda Kalshoven-Brester „Ich denk so viel an Euch. Ein
deutsch-holländischer Briefwechsel 1920-1949“.
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Hedda Kalshoven ist die
Enkeltochter des seinerzeit bekannten Braunschweiger Stadtbaurats Karl
Gebensleben, von 1915 bis 1935 Amtsnachfolger des bedeutenden Stadtbau-
rats Ludwig Winter und zuletzt Stellvertretender Oberbürgermeister, und sei-
ner Ehefrau Elisabeth geb. von Alten.
Ihre Tochter Irmgard heiratete 1929 einen holländischen Arzt namens
Brester, und pflegte einen regen Briefkontakt zu ihren Eltern in Braunschweig
und später zu ihrem Bruder Eberhard sowie Freundinnen und Freunden der
Familie. Diese Briefe sind nahezu vollständig erhalten und insgesamt eine ein-
zigartige Quelle für die Geschichte der 1920er und 1930er Jahre, weil sie ein-
drucksvoll zeigen, auf welche Weise typische bzw. repräsentative deutsche
Bildungsbürger dem Nationalsozialismus verfielen und wie sich dies im Ver-
hältnis zu dem niederländischen Familienteil widerspiegelte.
Vor wenigen Jahren erhielt nun Hedda Kalshoven, die in Bergen/Nord-
holland unweit von Alkmaar lebt, einen Brief aus Uganda von einer vor vie-
len Jahren nach dorthin ausgewanderten Holländerin, in dem folgendes
stand:
Sie habe mit Erstaunen gelesen, dass Hedda Kalshoven-Brester in ihrer
Kindheit während der Schulferien häufiger bei ihren Großeltern in Braun-
schweigs Kaiser-Wilhelm-Straße gewesen sei. Sie habe ebenfalls mehrfach als
Kind ihren Onkel und ihre Großmutter besucht, die beide auch in der Kaiser-
Wilhelm-Straße gewohnt haben, in unmittelbarer Nachbarschaft der Groß-
eltern Gebensleben. Ihr Name sei Mielziner gewesen. Ob sie, Hedda, viel-
leicht zufällig etwas über diese, ihre, Familie Mielziner wisse; denn es hätte ja
sein können, dass sie sich als Kinder im Schatten der Paulikirche begegnet
seien, auf jeden Fall aber sei zu vermuten, dass Heddas Großeltern Gebens-
leben und ihre Großmutter bzw. ihr Onkel Mielziner sich als unmittelbare
Nachbarn gekannt haben.
Hedda Kalshoven antwortete ihr, dass ihr der Name Mielziner in der zwei-
bändigen Sozialgeschichte der Jasperallee/Kaiser-Wilhelm-Straße „100 Jahre
Bürgertum in Braunschweig“,
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von E.-A.Roloff begegnet sei und sie den Ver-
fasser gut kenne. Tatsächlich habe ich darin ausführlich über Benny und
Bruno Mielziner und persönliche Beziehungen meiner Familie zur Familie
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Hedda Kalshoven-Brester, Ich denk so viel an Euch. Ein deutsch-holländischer Briefwechsel 1920-
1949, München 1995.
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Ernst-August Roloff, 100 Jahre Bürgertum in Braunschweig, I. Von der Jasperallee zur Kaiser-Wil-
helm-Straße, Braunschweig 1985. Derselbe, 100 Jahre Bürgertum in Braunschweig, II. Tradition
und Wandel. Lebensgeschichten aus einem bürgerlichen Wohnquartier, Braunschweig 1987.