BRAUNSCHWEIGISCHE LUFTFAHRTGESCHICHTE IM ÜBERBLICK
21
flughafen zu nutzen, aber diese Bemühungen scheiterten immer wieder an
den wirtschaftlichen Gegebenheiten und den Bestimmungen des Versailler
Vertrages, so dass die Hoffnungen auf eine Rettung des Flugplatzes in der
Region immer mehr schwanden. Als die Entente die vorletzte Flugzeughalle
demontierte und nachfolgend den kleinen Restflugplatz freigab, verkaufte
die Stadt Braunschweig die Werft als Papierfabrik und plante, das Restgelän-
de für Sporteinrichtungen und andere Nutzungsformen zu verwenden. Dies
war der Tiefpunkt für den Flugplatz Braunschweig-Broitzem um 1923.
An der TH Braunschweig war 1922 eine Flugwissenschaftliche Gruppe
(FWG, ab 1930 Akaflieg) gegründet worden, die sich zunächst dem Segel-
flugsport zuwandte. Nach ihrer wenig erfolgreichen Teilnahme am Rhönse-
gelflugwettbewerb 1923 auf der Wasserkuppe und in Ermangelung von ge-
eigneten Hangfluggeländen in der Region Braunschweig beschloss die FWG,
sich nunmehr dem Motorflugsport zu widmen. Hierfür war der Flugplatz
Braunschweig-Broitzem unerlässlich. Die Studenten erreichten die Geneh-
migung, die letzte Flugzeughalle wieder in Betrieb zu nehmen, sie beseitig-
ten in einer spektakulären Planieraktion auf dem Rollfeld des Restflugplat-
zes Erdaushub vom Umbau der Werft und veranstalteten 1924 einen großen
Flugtag. Dieser Enthusiasmus bewirkte in den Verwaltungen der Region, in
der Industrie und der gesamten Bevölkerung einen Umschwung. Der Flug-
platz war gerettet, das Kleinparzellenland wurde nach und nach wieder in das
Rollfeld zurückgeführt und eine Zerschneidung des Geländes durch den Bau
der Eisenbahn Hannover – Braunschweig konnte verhindert werden. 1926
wurde eine Flughafengesellschaft gegründet, und die Deutsche Luft Hansa
flog nun Braunschweig an. 1929 übersiedelte die Deutsche Verkehrsflieger-
schule (DVS) von Berlin-Staaken nach Braunschweig-Broitzem. Hierfür
wurden geräumige Flugzeughallen gebaut und ein neues Schulgebäude er-
richtet. Der Flugplatz verlor dadurch zwar wieder den regelmäßigen Luftver-
kehr der Deutschen Luft Hansa, aber ihre Piloten wurden nun in Braun-
schweig ausgebildet. Herausragende f lugsportliche Ereignisse waren die
Siege des DVS-Fluglehrers Fritz Morzik (1891 – 1985) bei den Europarund-
flügen 1929 und 1930.
Der Aufbau der Luftfahrtforschung an der TH Braunschweig kam in den
1920er Jahren nicht recht voran. Der Mechanikprofessor Dr. Kurt Eisen-
mann (1883 – 1963) als Nachfolger von Prof. Schlink hatte keine Erfahrung
auf dem Gebiet der Flugtechnik, und so mussten die Mitglieder der FWG in
der Lehre kräftig mithelfen. Sie haben auch den 1,3 mWindkanal entworfen,
der von 1926 bis 1931 in das halbfertige Gebäude des Flugtechnischen Insti-
tuts eingebaut worden ist, wobei die Finanzierung dieses Projektes haupt-
sächlich aus Spendenmitteln erfolgte, die bei der FWG verfügbar waren.
1930 wurde das Braunschweigische Institut für Luftfahrtmesstechnik und
Flugmeteorologie gegründet, das 1931 in die TH Braunschweig eingeglie-