Seite 54 - Luftfahrtgeschichte

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HANS AUSTINAT, JÜRGEN HELMKE UND KARL KÖSSLER
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Der Zeitpunkt, von dem an davon wieder gesprochen werden konnte, ist
leider nicht ganz genau festzulegen. Außer Acht bleiben darf dabei die an der
Deutschen Verkehrsfliegerschule (DVS) seit ihrer 1929 erfolgten Verlegung
von Staaken bei Berlin nach Broitzem verdeckt durchgeführte Ausbildung
von Flugzeugführern für militärische Verwendung.
Diese „Nebentätigkeit“ hatte bereits in Staaken begonnen und wurde nun
hier in Braunschweig fortgesetzt. Dass dies gegen die Bedingungen von Ver-
sailles verstieß, störte die dafür Verantwortlichen nur wenig. Genau diese
Schule war es aber, unter deren Namen als Deckmantel, ebenfalls schon von
Staaken her, sich auch eine bereits rein militärische Einrichtung versteckte,
nämlich die Beobachterschule (Heer), die als „Abteilung N“ geführt wurde.
In späteren Dokumenten wird sie auch mit Aufklärungsf liegerschule der
schon zu dieser Zeit im geheimen Aufbau befindlichen Luftwaffe bezeichnet.
Die Ausbildung ist aber anscheinend beim Umzug der DVS nach Braun-
schweig aufgeteilt worden. Die theoretische wurde weiter hier betrieben,
während die praktische, die fliegerische Schulung, in Lipezk (Sowjetunion)
stattfand. Sie wurde Ende 1931 oder Anfang 1932 nach Deutschland und
zwar jetzt nach Braunschweig zurückbefohlen.
Dieser Zeitpunkt muss als Wiederbeginn der militärischen Luftfahrt in
Braunschweig angesehen werden. Auf jeden Fall wurde der Schule als Teil
der DVS mit Befehl vom 9. Mai 1933 Braunschweig-Broitzem nun offiziell
als Standort zugewiesen. Im Juli 1934 wurde ihr dazu der noch in Bau befind-
liche Fliegerhorst Neuruppin als Arbeitsplatz zugeteilt. Ihre Angehörigen
gehörten jetzt zur so genannten „Fliegerschaft“. Sie mussten zur Tarnung
zwar weiter zivile Kleidung tragen, waren aber für die Eingeweihten durch
ein besonderes Abzeichen erkennbar, das am linken Kragenaufschlag befes-
tigt wurde. Es zeigte einen fliegenden Adler in einem hochstehend ovalen
Eichenlaubkranz, mit den Buchstaben DL über und dem V unter dem Adler.
DLV hatte bisher für Deutscher Luftfahrtverband gestanden, galt aber jetzt
als Abkürzung für Deutscher Luftsportverband, dessen Ziel die Verbreitung
des Luftsportgedankens war.
Die Angehörigen der erwähnten Abteilung „N“ der DVS waren demnach
einfach Mitglieder des DLV. Kommandeur der Schule war kein anderer als
der nun wieder in den aktiven Dienst zurückgeholte, vorherige Major a.D.
Alfred Keller (1882 – 1974), der somit gleichzeitig sowohl Chef der gesamten
DVS, wie auch der in ihr versteckten Beobachterschule war und es bis zu
ihrer Auflösung blieb.
Fast zur gleichen Zeit, am 18. April 1934, begann der Aufbau der Reichs-
luftfahrtverwaltung auf dem Verordnungsweg. Eingerichtet wurden 16 Luft-
ämter, natürlich rein zivil, die für die Lufthoheit, das heißt für Zulassungs-
fragen von Personal, Gerät und Anlagen, sowie für die Luftaufsicht und den
Wetterdienst zuständig waren.