Seite 87 - Luftfahrtgeschichte

Basic HTML-Version

DAS LUFTFAHRT-FORSCHUNGSZENTRUM IN BRAUNSCHWEIG
261
Der Wiederbeginn vollzog sich ab 1953 auf dem Gelände des alten Luft-
fahrtlehrzentrums der TH Braunschweig am Flughafen Waggum. 1954 wur-
de von der ehemaligen Lutz GmbH ein in Stadtnähe liegendes Gelände im
Ortsteil Kralenriede erworben. Außerdem konnte 1959 das ehemalige Ver-
suchsgelände Trauen am Flughafen Faßberg übernommen werden. Es wur-
den zunächst sechs rein luftfahrttechnisch ausgerichtete Institute gegründet.
Die ersten Institutsleiter kamen aus dem Kreis der Professoren, die in dieser
Funktion bereits in der alten DFL und im ehemaligen Luftfahrtlehrzentrum
tätig waren: Die Professoren Dr. Hermann Winter (1897 – 1968, Flugzeug-
bau), Dr. Hermann Schlichting (1907 – 1982, Aerodynamik), Dr. Kurt Löh-
ner (1900 – 1978, Triebwerksanlagen), Dr. Otto Lutz (1906 – 1974, Strahl-
triebwerke), Dr. Hermann Blenk (Flugmechanik) und Dr. Heinrich Koppe
(1891 – 1963, Luftfahrzeugführung) waren gleichzeitig auch ordentliche Pro-
fessoren der TH Braunschweig.
Die Zeit bis Anfang der sechziger Jahre war für die DFL eine Aufbau­
phase. Zehn Jahre Wissensvorsprung in der Welt mussten aufgeholt und der
gewaltige Aderlass an qualifizierten Wissenschaftlern nach 1945 verkraftet
werden. Bis 1964 wurden insgesamt 11,7 Millionen DM in den Aufbau leis-
tungsfähiger Versuchsanlagen in Braunschweig und Trauen investiert. Im
Jahre 1961 hatte die DFL bereits wieder 450 Mitarbeiter.
Ab den sechziger Jahren trug die wiedergewonnene fachliche Kompetenz
der DFL reiche Früchte. Die Forschungsarbeiten der Institute begleiteten
die Entwicklungen in der neuen deutschen Luftfahrtindustrie, und die mo-
dernen Versuchsanlagen wurden zunehmend für Dienstleistungen herange-
zogen. Das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) war damals der größ-
te Auftraggeber für die Luftfahrt, und dieDFLwurdemit ihremSachverstand
zum Berater der Behörde. Die Zuwendungen des BMVg sicherten den Insti-
tuten einen Teil ihres Personalbestandes, und nahezu der gesamte Flugpark
wurde vom BMVg zur Verfügung gestellt. In jener Zeit der ersten Sputniks,
Satelliten und Mondflüge begann auch in Braunschweig raumfahrtbezogene
Forschung, und dieser Wissenszweig spiegelte sich bei der DFL in dem neu-
en Namen „Deutsche Forschungsanstalt und für Luft- und Raumfahrt“
(1961) wider.
In den siebziger Jahren begann in der Luftfahrt die internationale Zusam-
menarbeit. Kostspielige Neuentwicklungen konnten nur noch im euro-
päischen Rahmen realisiert werden. Es wurden Konsortien gegründet zur
Entwicklung neuer Flugzeuge wie dem Transporter „Transall“, dem Kampf-
flugzeug MRCA (Multi Role Combat Aircraft) „Tornado“, dem Strahltrainer
für die Luftstreitkräfte „Alpha-Jet“. Der Beschluss zur Entwicklung des Ver-
kehrsflugzeugs Airbus A300B war der Beginn eines äußerst erfolgreichen eu-
ropäischen Unternehmens, nämlich der Airbus Industrie. Die deutschen
Luftfahrtforschungsanstalten AVA, DFL und DVL schlossen sich zur Groß-