Seite 18 - Muenzbuch

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Die sächsisch-salische Zeit
Die Herkunft vieler ‚Otto-Adelheid-Pfennige’ ist unklar. Ihre Entstehung in Goslar oder im Raum
um Goslar wird in der Forschung diskutiert. Pfennige dieses Typs wurden aber auch in anderen
Münzstätten geprägt bzw. nachgeahmt.
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Von den 59.167 deutschen Münzen, die Gert Hatz 1974 aus
schwedischen Funden des 10. bis zum ersten Viertel des 12. Jahrhunderts ausgewertet hat, waren 12.343
Otto-Adelheid-Pfennige.
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In fast allen schwedischen Münzfunden der späteren Wikingerzeit fanden
sich Exemplare dieser häufigsten deutschen Münzsorte des Ostseeraums. Nach neueren Zahlen
machen die Otto-Adelheid-Pfennige etwa 15% der in Schweden gefundenen deutschen Münzen aus,
unter den im gesamten Ostseeraum gefundenen rund 250.000 deutschen Münzen sind es etwa 20 bis
25%.
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Benannt sind die Otto-Adelheid-Pfennige nach ihren Aufschriften OTTO (bzw. ODDO)
DI GRA REX (= Otto, König von Gottes Gnaden) und ATHALHET (oder ATEAHLHT). In der
Forschung überwiegt die Auffassung, dass damit auf König Otto III. (983-1002) und seine Großmutter
Adelheid Bezug genommen wird.
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Die weitergehende These, dass diese Münzen zur Zeit einer Vor-
mundschaftsregierung Adelheids für ihren minderjährigen Enkel Otto III. zwischen 991 und 994 ge-
prägt worden seien, ist aber umstritten. Dagegen spricht, dass Adelheid zwar die Vormundschaft ihres
Enkels innehatte, eine Vormundschaftsregierung der Adelheid aber staatsrechtlich gesehen nicht
existierte.
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Aber auch als Prägungen, die in der Zeit Ottos I. (936-973) entstanden seien, hat man die
Otto-Adelheid-Pfennige interpretiert.
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Alle Typen der Otto-Adelheid-Pfennige tragen auf einer Seite,
die wohl als Rückseite zu bezeichnen ist
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, ein Kreuz. Die andere
Seite zeigt bei der weitaus größten Gruppe ein Kirchengebäude
(Abb. 3)
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, seltener einen Kopf, der nach links gewandt ist (Abb. 4)
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.
Die Vorderseite (Abb. 3) mit dem schematisierten Kirchengebäude, das wegen der Querbalken oft als
‚Holzkirche’ bezeichnet wird, ahmt in Anlehnung an einen antiken Tempel die so genannte Säulen-
kirche nach, die seit Ludwig dem Frommen (814-840) auf den karolingischen Münzen dargestellt
wurde. Bei den Otto-Adelheid-Pfennigen ist die Darstellung reduziert auf ein Gebilde, das einem
Kasten ähnelt, aber einen spitzen Giebel aufweist. Das Kreuz auf der Rückseite war als Zeichen des
Christentums seit der karolingischen Zeit ein verbreitetes Münzmotiv. Meist wurde es gleichschenklig
dargestellt, in seinen vier Winkeln erscheinen oft Kugeln, manchmal aber auch andere Zeichen. Bei
den Otto-Adelheid-Pfennigen ergeben die vier Buchstaben in den Winkeln den Namen Otto. Sein
Titel lautet in der Umschrift
rex
(= König), nicht
imperator
(= Kaiser). Demnach dürfte der Grundtyp
der Otto-Adelheid-Pfennige, wenn sie erstmals unter Otto III. geprägt wurden, zwischen 983, dem
Regierungsbeginn Ottos, und 996, als Otto III. Kaiser wurde, entstanden sein.
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Eine seltenere Gruppe der Otto-Adelheid-Pfennige zeigt auf der Vorderseite statt der Holzkirche
einen menschlichen Kopf und überliefert den Namen der Adelheid in der Form ADELDEIDA oder
ADELhEIDA (Abb. 4). Der Kopf, der nur in rohen Umrissen gestaltet ist, steht für den König an sich,
nicht für den individuellen Herrscher. Die Münze gibt also keineswegs die individuellen Züge eines
Herrschers wieder.
Kluge vermutete, die Otto-Adelheid-Pfennige könnten geprägt worden sein, um nach dem Aufstand
der Sachsen von 983 die ‚Sachsenpfennige’ zu ersetzen und „ein f lächendeckendes System mit zahl-
reichen, nicht mehr nur königlichen Münzstätten“ im östlichen Sachsen aufzubauen.
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Die vielfältigen
Diskussionen, die sich um ihre Prägung und ihre Prägestätten ranken, ebenso um ihre Zeitstellung, ob
sie 983, 991 oder vielleicht sogar schon wesentlich früher beginnen und wie lange sie geprägt wurden,
sind noch nicht endgültig beendet.
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Lange galt Goslar, wo das
Silber des Rammelsberges zur Verfügung stand, als ihre wichtigste
Prägestätte.
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Doch haben Stempeluntersuchungen gezeigt, dass
mehrere Münzstätten an der Prägung dieser Typen beteiligt ge-
wesen sein müssen. So wird heute diskutiert, welche kleineren
Abb. 3:
Otto-Adelheid-Pfennig,
Münzstätte Goslar?, nach
983/991. – Silber. 1,30 g.
20mm. – HAUM Inv.-Nr.
212a/4.
Vorderseite:
ATHALHET; Kirchen-
gebäude, darin Kreuz aus
fünf Punkten.
Rückseite:
+
DI GRA REX AMEN;
Kreuz, in den Winkeln
OTTO.
Abb. 4:
Otto-Adelheid-Pfennig,
Münzstätte Goslar?, nach
983/991. – Silber. 1,38 g.
19mm. – HAUM Inv.-Nr.
212b/7.
Vorderseite:
O]TTO REX ADELD[EIDA];
Kopf nach links.
Rückseite:
+
DI GRA REX (= König
von Gottes Gnaden);
Kreuz, in den Winkeln
ODDO (= Otto).