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Regionalpfennige und die Vermehrung der Münzstätten
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Zweites Kapitel
DIE BRAKTEATENPRÄGUNG IM
12. UND 13. JAHRHUNDERT
Regionalpfennige und die Vermehrung der Münzstätten
Wurden in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts noch verhältnismäßig zahlreich königliche Münzen
hergestellt, die aber zu großen Teilen in den Fernhandel f lossen, so gewannen im 12. Jahrhundert die
Regionalpfennige, die nur im Umkreis eines Territoriums oder einer Stadt gültig waren, zunehmend
an Bedeutung. Die Geldwirtschaft setzte sich im Inland immer mehr durch und begann das traditionelle
System bäuerlicher Abgaben und Dienste abzulösen. Der wachsende Geldbedarf verlangte eine
größere Anzahl an Münzstätten und lokalen Währungen. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts wurden
überall Prägestätten für Münzen gegründet. Auf deutschem Boden existierten zwischen 1140 und 1197
schon insgesamt 215 Münzstätten, wie Elisabeth Nau ermittelt hat; davon waren 106 in geistlicher
Hand, 81 in weltlicher Hand und 28 königliche.
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Die einzelnen Pfennigsorten waren meist nur im Umkreis ihrer Prägestätte oder im politischen
und wirtschaftlichen Machtbereich des jeweiligen Münzherren gültig.
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Es entstanden regionale Münz-
bezirke mit spezifischen lokalen Währungen.
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Um den Gewinn aus der Münzprägung zu mehren,
setzten viele der Münzherren ihre Münzen von Zeit zu Zeit außer Kraft, um sie durch neue zu er-
setzen, die unter Verlusten für den Besitzer eingetauscht werden mussten.
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Auch auswärtige Münzen
sollten vom Umlauf ausgeschlossen und in die lokale Währung umgetauscht werden, was aber oft um-
gangen wurde, indem man auf allgemein anerkannte Silbersorten oder auf Silberbarren (siehe unten
S. 82) zurückgriff.
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Die Prägetechnik
Im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts verbreiteten sich als typische Regionalpfennige wohl von
Meißen aus über Thüringen, Hessen, Ostfalen und im Raum nördlich und südlich des Harzes die
Brakteaten, einseitig geprägte dünne Silberpfennige, deren Namen vom lateinischen
bractea
(= dünnes
Silberblech) abgeleitet ist. Diesen Namen erhielten die Münzen erst im 17. Jahrhundert; offiziell heißen
sie in den zeitgenössischen Urkunden
denarii
. Die Brakteatenprägung bedeutete eine technische Ver-
einfachung des Prägevorgangs. Man benötigte nur einen einzigen Prägestempel. Entweder schlug man
ihn auf einer elastischen Unterlage – etwa Leder, Holz oder Blei – in den Schrötling aus dünnem
Silberblech ein. Oder man verwendete den Brakteatenstempel als Unterstempel, auf den man den
Schrötling legte; anschließend schlug man mit dem Hammer auf eine elastische Auf lage, so dass das
Silber des Schrötlings von oben in den vertieft geschnittenen Stempel eingepresst wurde.
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Auf der
Rückseite der Brakteaten ist nur das Vorderseitenbild spiegelbildlich zu erkennen. Da die Rückseite
‚hohl ’ bleibt, spricht man auch von ‚Hohlmünzen’.
Warum und wie es zu der Prägung von Münzen in der Hohltechnik kam, ist nach wie vor unklar.
Die Anwendung dieser Technik für goldene Schmuckstücke der Nordgermanen und der Alemannen
seit dem 5. Jahrhundert, bei den so genannten ‚Schmuckbrakteaten’, kann das plötzliche Aufkommen
der Brakteatenmünzen in Teilen Deutschlands im 12. Jahrhundert nicht erklären.
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Eine mögliche Er-
klärung ergibt sich aus dem Phänomen, dass man damals die Fläche für das Münzbild immer mehr
vergrößerte, um umfangreichere Darstellungen zu ermöglichen. Dabei sollte aber das Gewicht der
Münze in Anbetracht der zurückgehenden Silberförderung nicht steigen. Das führte dazu, dass die